Quartalsmeldung 1/2024

Jetzt ist es also passiert, der Blogfaden ist gerissen. Nicht einmal monatliche Beiträge habe ich den letzten Wochen abringen können. Immerhin, das Licht am Ende des Studiumtunnels wird sichtbar: Nur noch 1 Hausarbeit (mit Präsentation), 1 Masterarbeit und 1 Masterarbeits-Verteidigung trennen mich von der Zurückerlangung meiner Work-Life-Balance. Oder zumindest einer Ahnung davon. Wie schön wird das sein, wenn nach Feierabend wirklich Feierabend ist und am Wochenende Wochenende, von Urlaub ganz zu schweigen! Auch und gerade im Kopf! Aber noch ist es nicht soweit. Damit ich bis dahin nicht ganz aus der Übung komme, stelle ich auf quartalsweise Berichterstattung um.

Januar

Mein Kulturjahr begann mit „Der Klang der Bücher – eat.READ.sleep meets NDR Elbphilharmonie Orchester“. Wobei „Orchester“ etwas hoch gegriffen ist: Neben Daniel Kaiser und Jan Ehlert vom Bücher-Podcast eat.READ.sleep befand sich ein Streichquartett bestehend aus Musikern des NDR EO auf der Bühne des Kleinen Saals der Elbphilharmonie. „eat.READ.sleep“ will kein hochgeistiger Literaturzirkel, sondern niedrigschwellig und unterhaltsam sein. Das spiegelte sich auch in der Musikauswahl des Abends wider. Klar kann man Mozart durch die „Kleine Nachtmusik“ („Die Königin der Telefonwarteschleifen“) repräsentieren, aber ein klein wenig abgedroschen ist das dann schon. Andererseits wurde die Veranstaltung als Sonderfolge des Podcasts aufgezeichnet. Allzu kompliziert und vor allem allzu lang durften die Musikstücke daher nicht sein. Neben Mozart kamen Brahms, Bach, „Norwegian Wood“ von den Beatles und „On the Street Where You Live“ aus „My Fair Lady“ zur Aufführung (Ohrwurm in 3… 2… 1… gern geschehen!). Etwas ausgeglichen wurde das Konto durch „Skorpion“ aus dem „Tierkreis“ von Karl-Heinz Stockhausen. Insgesamt eine hochunterhaltsame Angelegenheit, wozu die Streichquartett-Besetzung auch durch das gesprochene Wort beitrug, allen voran Cellist Fabian Diederichs, der obendrein eine selbst fabrizierte „Variation über Mozartkugeln“ beisteuerte. Musik trifft Literatur und umgekehrt – ein schier unerschöpfliches Themenfeld, definitiv mit Reihenpotenzial! Ich erfuhr rund vier Wochen später aus erster Hand, dass man seitens des eat.READ.sleep-Teams tatsächlich über eine Art Spin-Off nachdenkt. Bitte, unbedingt machen!

Februar

Die Krypta des Hamburger Michel ist nur bedingt veranstaltungstauglich. In einigen Bereichen müssen selbst Menschen, die kleiner als 1,75m sind, noch die Köpfe einziehen und der Enge geschuldet wird auch die Grabplatte des prominentesten Bewohners nicht verschont und als Lautsprecherstellplatz genutzt. Allerdings lässt sich in dieser besonderen Atmosphäre auch eine besondere Konzertstimmung erzeugen. Der Auftritt von San Glaser und dem Kaiser Quartett Anfang Februar, zunächst einzeln und dann in Kombination, bewies das eindrücklich.

Vielleicht lag es auch an der familiären Stimmung des Abends, handelte es sich doch um eine Benefiz-Veranstaltung der Plan Aktionsgruppe Hamburg zugunsten des Mädchenfonds. Jeder schien jeden zu kennen. Ich selbst hatte eher zufällig durch die Facebook-Präsenz des Kaiser Quartetts von dem Event erfahren und ganz schnell zugegriffen. Das muss man nämlich, sonst hat man keine Chance: Es gibt maximal 170 Plätze. Die Benefizkonzerte finden unregelmäßig statt, bei Interesse empfiehlt sich ein regelmäßiger Blick auf die Webseite der Aktionsgruppe.

Was lange währte, wurde Ende Februar endlich ein Konzert der Berliner Philharmoniker! Das ist eines der Orchester, für die auch im Rahmen der hauseigenen Konzertreihen der Elbphilharmonie eine signifikant höhere Preisstaffelung aufgerufen wird. Das tut dem Kartenabsatz jedoch keinen Abbruch, was dazu führte, dass ich erst das Geld nicht übrig hatte und als ich das Geld übrig hatte, nicht an Karten herankam. Ich bin immer skeptisch gewesen, wenn eine Karte der Preisklasse 1 über 200 Euro kostet. Ist das wirklich gerechtfertigt? Zahlt man da nicht auch für den Namen, die Marke? Im Falle der Berliner Philharmoniker unter Kirill Petrenko seht ihr mich bekehrt. So kann ein Sinfonieorchester also auch klingen! Und in Kombination mit Richard Strauss‘ „Sinfonia domestica“ dürfte zumindest unmittelbar nach dem Konzert kein Staubkörnchen mehr auf der „weißen Haut“ des großen Saals gelegen haben. Nachhaltig beeindruckend, oder wie Joachim Mischke später im Abendblatt schrieb: „Irre gut“. Sehr gerne wieder und durchaus auch in einer besseren Preisklasse als der von mir gewählten. Vorausgesetzt, ich habe weiterhin das Geld übrig.

Der Februar schloß mit einem „Blind Date“, welches sich als Stunde der Schlagwerker entpuppte. Zusammen mit und unter der Führung von Alexej Gerassimez holten Lukas Böhm, Emil Kuyumcuyan und Sergey Mikhaylenko aus unterschiedlichsten Untergründen – vom eigenen Körper über Benzinkanister bis hin zur Marimba – denkbare und zuvor undenkbare Klangfarben heraus. Das Programm „Genesis of Percussion“ war für die Reihe vielleicht ein bisschen zu ambitioniert, die Strecke „Metal“, „Over the Rainbow“ und „Wood“ möglicherweise eine Idee zu lang. Dennoch brachten die vier Perkussionisten das Publikum mehrheitlich hinter sich. Daran hatte Gerassimez‘ Moderation einen wesentlichen Anteil. Wie so ein Schlagwerker tickt, der praktisch überall und jederzeit Rhythmen und Klänge aufspürt, lässt dieses Erklärvideo vom YouTube-Kanal der Festspiele MV erahnen.

Eine derartige Spielfreude auch im Wortsinne nimmt ein, dagegen ist kaum jemand immun.

März

Der März erwies sich als Lücke im Konzertkalender, die spontan und auf Empfehlung der Herren Schneider und Schreiber durch einen Besuch bei Barbara Morgenstern in der kmh auf Kampnagel zumindest noch etwas gefüllt werden konnte. Das war so schön!

Weiter geht es voraussichtlich erst im Mai, denn der April ist fast vollständig durch Termine anderer Art besetzt. Der Bericht folgt Ende Juni. Wenn mich dann nicht die Masterarbeit verschluckt hat.

The Show must go online (17)

Ich gestehe, ich habe nun endgültig den Überblick über das Kulturstreaming verloren. Dadurch habe ich blöderweise einiges verpasst, was ich gerne gesehen/gehört hätte. Zum Beispiel das Jahresabschlusskonzert des Tingvall Trio am 13. Dezember. Mist!

Noch nicht zu spät ist es dagegen für Chilly Gonzales‘ „A Very Chilly Christmas Special“ auf ARTE Concert (verfügbar bis 21. Januar 2021).

Am zweiten Weihnachtsfeiertag sendet das Philharmonische Staatsorchester unter der Leitung von Kent Nagano ein Weihnachtskonzert aus dem Hamburger Michel (zu sehen auf YouTube).

Am 27. Dezember folgt „Vetrasól“, das Weihnachtskonzert von Árstíðir aus der Fríkirkjan in Reykjavík. Ich hatte Ende letzten Jahres das Vergnügen in München und freue mich daher umso mehr, die Jungs auch einmal in ihrer natürlichen Umgebung erleben zu dürfen. Sei es auch nur vom heimischen Sofa aus.

Wem das alles zu besinnlich ist, der findet eventuell am „Kabarettistischen Jahresrückblick 2020“ gefallen, aufgezeichnet im Mehringhoftheater Berlin.

Oder am Neujahrskonzert von Erobique! Special Guest: das Bo.

Wer „zwischen den Jahren“ Zerstreuung sucht, kann sich beispielsweise im Rahmen der Ausstellung „Karten Wissen Meer – Globalisierung vom Wasser aus“ auf der Webseite des Deutschen Schifffahrtsmuseums eine eigene Seekarte zusammenbauen. Oder einen Blick auf alte Schätzchen der hauseigenen und der Sammlung Perthes Gotha werfen.

Außerdem hat das National Theatre das Bitten und Flehen seines Publikums erhört und bietet nun regulär einen „At Home“-Streamingdienst an. Hurra! Ich habe gleich am ersten Tag ein Abo abgeschlossen, aber seither noch kein einziges Stück angeschaut. Es gab so viel anderes Zeug zu sehen und zu hören! Mein Vorsatz daher für 2021: den Theaterdonnerstag wieder einführen und genüsslich das Archiv leer gucken. Sollte mir nicht allzu schwerfallen.

In Concert: Nils Landgrens „Christmas with my friends“ im Michel

Advents- und Weihnachtslieder wie „Maria durch ein Dornwald ging“, „Tochter Zion“ oder „Es ist ein Ros‘ entsprungen“ hatten in meiner (Vor-)Weihnachtszeit lange Jahre keinen Platz. Wenn ich überhaupt noch Weihnachtslieder gehört habe, dann war das Swingendes wie „Christmas with the Rat Pack“ oder angelsächsisches (Pop-)Liedgut à la „Wonderful Christmas Time“, „Driving home for Christmas“ und „Stop the Cavalry“. „Stille Nacht“ konnte ich allerhöchstens noch in der Version von Mahalia Jackson ertragen.

Aber dann hielt mir eines Tages meine kleine Schwester ein dunkelblaues CD-Cover unter die Nase und spätestens ab der Interpretation von „In dulce jubilo“ durch Bugge Wesseltoft war es um mich geschehen.

Und so geschah es, dass ich heute Abend zusammen mit vielen anderen Menschen im Michel saß und zur zweiten Zugabe mit Nils Landgren und seinen Freunden „O du fröhliche“ sang.

Und wisst ihr, wie das war?

Das war wie Weihnachten.

In Concert: Jan Garbarek und das Hilliard Ensemble im Michel

Mein erster Konzertbesuch in Hamburg? Das war, ziemlich genau vor 9 Jahren, Jan Garbarek und das Hilliard Ensemble mit „Officium“ im Michel.

Damals hatte ich die Tickets wohlweislich Monate im voraus bestellt. Noch vor dem Umzug. Als ich vor ein paar Wochen per Litfaßsäule – Print wirkt! – mitbekam, dass die letzte gemeinsame Tour läuft, war ich daher froh, dass es überhaupt noch Karten gab.

Weil: Die Michel-Akustik rockt. Aber sowas von. Und es gibt kaum eine geeignetere Klangkombination, um das in Gänze auszukosten.