(Jahres-/Konzert-)Rückblick 2018

Es ist wieder so weit, das letzte Konzert des Jahres ist längst genossen & verbloggt, Zeit für den Jahresrückblick! Wie angekündigt ist die Liste in diesem Jahr etwas kürzer als im letzten. Mit der Betonung auf „etwas“.

Die bemerkenswerten Premieren:

Neue Orte:

Die Wiederholten:

Sehr ärgerlich sind die beiden Streichungen im „Premieren“-Teil. Im September war Philipp Glass krank und als das Kronos Quartet im Großen Saal der Elbphilharmonie spielte, war ich krank. Ganz dumm gelaufen. Ich hoffe in beiden Fällen auf eine zweite Chance!

Das Highlight des Jahres zu benennen fällt mir in diesem Jahr ähnlich schwer wie im letzten. Pierre-Laurent Aimard, Max Richter,  Element of Crime, Ólafur Arnalds oder Chilly Gonzales? Oder doch das vision string quartet? Rafael Payare? Martha Argerich und Daniel Barenboim? Unmöglich, da eine Entscheidung zu treffen. Nils Frahm, an sich der gesetzte Kandidat, hat es jedenfalls nicht geschafft. Bei aller Liebe, aber „All Melody“ hat „Possibly Colliding“ nicht toppen können, auch beim zweiten und dritten Mal nicht. Ich fürchte, da bin ich auf lange Zeit verdorben. Aber vielleicht auch nur bis Juni nächsten Jahres… wir werden sehen.

Was die Örtlichkeiten betrifft, so ist es in diesem Jahr der Kleine Saal der Elbphilharmonie geworden. Der ist mir mittlerweile – nicht zuletzt wegen des sehr großartigen „Blind Date“-Formats – sehr ans Herz gewachsen.

Der erste Konzerttermin des Jahres 2019 steht bereits am 10. Januar an, zur Abwechslung im Schauspielhaus, und es wird keineswegs nur gespielt, sondern auch gelesen (Moby Dick nämlich). Das wird super. In diesem Sinne: auf ein gutes Neues!

In Concert: Stimming x Lambert im Mojo Club

Stimming und Lambert, das ist eine Kombination, auf die ich nicht unbedingt von allein gekommen wäre. Schon deswegen reizte mich die Ankündigung des gemeinsamen Auftritts im Mojo Club.

Dann war da aber auch die Erinnerung einerseits an die beiden Lambert-Konzerte, insbesondere das in der K2 auf Kampnagel, und andererseits an Stimmings Gastbeitrag bei einer „voyage abstrait“ im August 2014, bis heute eines meiner Top 3-Sounderlebnisse im Sternensaal des Hamburger Planetariums. Der Moment seiner Übernahme des DJ-Pults hatte sich angefühlt, als würden mir plötzlich ein paar unsichtbare Klappen von den Ohren fallen, und ich meine das nicht in Bezug auf die Lautstärke. „Dröhnend laut“ hat in diesem Raum und bei dieser Anlage noch nie funktioniert, was mit einer beinahe hartnäckig anmutenden Konsequenz immer wieder geflissentlich ignoriert wird. In die Nähe ist seither qualitativ nur noch David August gekommen. Wobei man die zwei schon von der Stilrichtung her eigentlich überhaupt nicht miteinander vergleichen kann. Aber ich schweife ab.

Der Abend im Mojo begann – dramaturgisch logisch – mit einem Solopiano-Set von Lambert. Dabei wurde offensichtlich, dass sich viele Lambert-Fans im Raum befanden, aber auch nicht wenige Stimming-Fans, die nicht auf leise Klaviertöne eingestimmt waren. Die gemeinsamen Stücke stießen zwar auf großen Beifall beider Fraktionen, aber während des anschließenden DJ-Sets von Stimming dünnte sich die Publikumsdichte merkbar aus. Das ist das Dilemma der Grenzgänger: Klub oder Konzertsaal? Bestuhlt oder nicht? Da passt weder das eine noch das andere so richtig. Das Konzert hätte beispielsweise sicher auch im (üblicherweise bestuhlten) resonanzraum funktioniert. Aber wahrscheinlich nur für die Lambert-Fraktion.

Zurück zur Musik. Ich sag es mal so: Da haben sich zwei Spielkinder gefunden; da geht schon so einiges, aber ganz bestimmt noch mehr, und live hatte das deutlich mehr Wumms als die Konserve. Unbedingt weitermachen!

In Concert: Emmanuel Ax, Herbert Blomstedt und das NDR Elbphilharmonie Orchester in der Elbphilharmonie

Beethoven und Brahms mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester – das klingt erst einmal unspektakulär. Ist es aber nicht, denn das Konzert fand im Großen Saal der Elbphilharmonie statt und wenn ich auch inzwischen fast überall reinkomme, aber an der Kartenbeschaffung für sinfonische (NDR Elbphilharmonie Orchester) bzw. philharmonische (Philharmoniker Hamburg) Konzerte scheitere ich in den allermeisten Fällen immer noch krachend. Dabei habe ich letzten Sommer sogar versucht, ein kleines Philharmoniker-Abo zu ergattern – vergebliche Liebesmüh! In der Rückschau betrachtet hätte ich das vielleicht schon festklopfen sollen, bevor die Philharmoniker in die Elbphilharmonie umgezogen sind. Aber in den Saisons davor saß mir das Geld nicht so locker. Wie es halt ist, wenn man einen sich anbahnenden Jobverlust schon drei Meilen gegen den Wind riechen kann.

Abgesehen davon waren es natürlich auch Herbert Blomstedt und Emmanuel Ax, die diesen Abend zu einem besonderen machten. Herbert Blomstedt dirigierte in der vergangenen Woche vier Konzertabende hintereinander, drei davon in Hamburg und einen in Lübeck, und das im zarten Alter von 91 Jahren. Falls ich im Jahr 2064 dieses Pensum auch nur als Zuhörerin schaffen sollte, werde ich mich sehr glücklich schätzen können. Vorausgesetzt, die Elphi ist dann nicht längst schon unbespielbar. Weil abgesoffen.

Aber zurück zum Programm. Wenn mir demnächst jemand die Frage stellen sollte: „Lieben Sie Brahms?“ werde ich antworten: „Wenn er von Herbert Blomstedt dirigiert wird: auf alle Fälle.“

In Concert: Chilly Gonzales in der Laeiszhalle (!)

Heute spielt er ein Konzert in der Elbphilharmonie Hamburg, nächste Woche seht ihr ihn bei uns in Bremen: Wir freuen uns sehr auf Chilly Gonzales!

So lautete eine Ankündigung auf der Facebookseite der Sendung 3nach9 im Vorfeld des Konzerts am vergangenen Dienstag. Was allerdings nicht ganz den Tatsachen entsprach: Wie nicht wenige Menschen zuvor hatte wohl auch das Social Media-Team von Radio Bremen übersehen, dass der Auftritt zwar in der Programmübersicht auf www.elbphilharmonie.de gelistet war, aber nicht ebendort, sondern in der Laeiszhalle stattfinden sollte. Und natürlich klingt „in der Elbphilharmonie“ immer noch ungleich glanzvoller! Die Zugkraft des Glaspalastes an der Elbe ist nach wie vor ungebrochen und wird allerorten ausgiebig genutzt.

Aus mir zu diesem Zeitpunkt noch unerfindlichen Gründen kitzelte mich diese Ungenauigkeit. Ich meckerte öffentlich, per Kommentar (erfolgreich, der Eintrag wurde später korrigiert). Etwas, was ich mir zumeist verkneife, denn nur, weil diese Plattformen unendlich viele Gelegenheiten zur Besserwisserei bieten, muss man solchen Impulsen nicht zwingend auch nachgeben. Aber als ich später am Tag die Laeiszhalle betrat, wurde mir bewusst: Ich hatte mich gefreut auf diesen Abend, monatelang hatte das Ticket an meiner Küchenpinnwand gehangen, und ich hätte ihn mir an einem anderen Ort schlicht nicht vorstellen können.

Wie hätte „Solo Piano III“ in der Elbphilharmonie geklungen? Wir wissen es nicht. Aber ziemlich sicher nicht so, wie der Künstler es sich vorgestellt hat. Der Große Saal, so wird immer wieder betont, sei, was die Akustik betrifft, als Raum für die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts geschaffen worden. Das ist keineswegs global gemeint, sondern bezieht sich auf die sogenannte „Neue Musik“, von der allwissenden Wikipedia als „Sammelbegriff für eine Fülle unterschiedlicher Strömungen der komponierten, mitteleuropäisch geprägten Musik von etwa 1910 bis zur Gegenwart“ definiert. Chilly Gonzales‘ Musik hingegen entzieht sich zwar den üblichen Schubladen, aber sie ist tonal und tendenziell romantisch. Selbst die Rap-Stücke haben noch einen kammermusikalischen Anklang und sei es nur der gewählten Instrumentierung wegen.

Nicht, dass Chilly Gonzales nicht schon in der Elbphilharmonie gespielt hätte. Ein „Chambers“-Konzert muss das gewesen sein, 2017, im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals. Zurückgekehrt ist er aber aus gutem Grund in die Laeiszhalle, der er im Laufe des Abends gleich mehrfach Liebeserklärungen machte. Sie sei eine seiner drei Lieblingsveranstaltungsorte in Europa, er habe noch nie ein schlechtes Konzert dort erlebt usw.

Der Auftritt selbst war eine grandios gelungene Komposition aus Solo Piano-Stücken (mit Schwerpunkt auf dem aktuellen Album, der Nummer III), musikalischem Edutainment à la Chilly Gonzales (wer sie noch nicht kennen sollte: „1Live Pop Music Masterclass“ gucken! Alle Folgen! Das gilt insbesondere denen, die sich im Musikunterricht gelangweilt haben!), den bereits erwähnten Rapsongs (in denen trotz aller Betonung der während seines Sabbaticaljahrs neu gewonnenen Gelassenheit und Seriösität als Künstler stets das einstige Enfant terrible durchblinkt) und natürlich durften auch „Hit“-Stücke wie „Knight Moves“ nicht fehlen.

Im 1. Rang links, Loge 3, Reihe 2 habe ich nur einmal ganz kurz den Weinberg vermisst: Als ich nämlich feststellen musste, aufgrund der Positionierung des Bechsteinflügels ganz am linken Bühnenrand (warum?!) für rund 35 Euro einen formidablen Hörplatz ergattert zu haben. Dass ich doch noch ein paar Blicke erhaschen konnte, war einzig dem Gitterwerk der Balustrade geschuldet und dazu ganz und gar vom Sitzverhalten der ersten Reihe abhängig (vielen herzlichen Dank nochmal an die unbekannte Dame in Rot!). Da schwächelt die alte Lady Laeiszhalle, leider.

Vom akustischen Standpunkt her kann ich jedoch nur betonen: Gebt der Laeiszhalle, was der Laeiszhalle ist! Ich bin bekennender Elphi-Fan, aber da ist eine ganze Menge Musik auf der Welt, die in dem Konzerthaus am Johannes-Brahms-Platz besser aufgehoben ist als in der optisch spektakuläreren Konkurrenz in der HafenCity.

Platzhalter

Worüber ich in den letzten Tagen mangels Zeit, Ruhe und Konzentration nicht gebloggt habe:

Gestern Abend hätt‘ ich können, aber da habe ich diverse Trockenfrüchte in Alkohol eingelegt. Und heute Plätzchen gebacken.

Muss an der Jahreszeit liegen.


*) des laufenden Jahres