Es wird einfach nicht alt. Auch nicht die Stücke, die ich inzwischen schon so lange und in so vielen Versionen kenne und liebe. Ganz besonders die nicht.
Und das Timing, ach, wie immer: makellos. In jeglicher Hinsicht.
Als instrumentale Randnotiz sei erwähnt, dass das heute Abend meine zweite Begegnung mit einer Glasharfe war – die ist erwartungsgemäß bei Nils Frahm buchstäblich in sehr guten Händen – und ich den Flügel nicht vermisst habe. Außer bei „Hammers“. Das ist einfach ein Flügelstück, da bin ich ausnahmsweise konservativ.
Die große Laeiszhalle erinnert mich immer wieder aufs Neue an das Innere eines klassischen Ozeandampfers. Titanic-Style. Insbesondere das Dach, dem man im 2. Rang gefühlt schon ziemlich nahe kommt. Kein Wunder also, dass akute Schifffahrtsassoziationen aufkamen, als Teodor Currentzis und sein neuestes Klangkörperprojekt Utopia erst mit Strawinksys Feuervogel und dann mit Ravel in Wallung kamen. Und mit ihnen der Saal.
Allein für die Zugabe hat sich das Konzert vorhin schon gelohnt. So ein „Boléro“, wie das Publikum ihn heute gehört hat, ist fast so gut wie – genau. Hat jedenfalls mich vollständig abgeräumt. Ich freue mich auf die rund sieben bis zehn Tage Ohrwurm, die nun vor mir liegen. Zu ahnen war es übrigens schon in der Pause: In dieser fabrizierte ein leise vor sich hinprobender Holzbläser nämlich schon einige mir verdächtig bekannt vorkommende Bruchstücke. Als ich dann noch die kleine Trommel ganz allein mit sich in Warteposition an der Tür stehen sah, hatte ich Mühe, meine Vorfreude im Zaum zu halten.
Beim nächsten Currentzis-Event in Hamburg steht der „Boléro“ übrigens offiziell auf dem Programm. Mal sehen, wie dann das SWR Symphonieorchester in der Elbphilharmonie damit umgeht.
Es läuft zwar noch, aber ich möchte schon jetzt über das diesjährige Harbour Front Literaturfestival berichten. Später im Monat werde ich nicht mehr dazu kommen (eine Klausur droht) und vorhin sind mir endlich ein paar brauchbare Sätze eingefallen zu dem, über das ich einerseits auf diesem Kanal nicht in Ausführlichkeit schreiben möchte, das andererseits aber auch nicht gänzlich unerwähnt bleiben kann – jedenfalls spätestens seit der #Segelsexbuch-Premiere nicht mehr. Dazu später.
Als Erstes hatte ich mir die Live-Aufzeichnung der 70. Folge des NDR-Podcasts „eat.READ.sleep“ aus dem Programm gepickt: „Würstchen im Schlafrock mit Sven Regener“. Es gibt diverse Menschen in meinem Umfeld, die mich zum regelmäßigen Hören des Podcasts anstiften wollen. Ihr habt alle Recht! Trotzdem ich verweigere mich dem weiterhin. Aus reinem Selbstschutz. Jede Folge bedeutet nämlich mindestens ein weiteres Buch auf meiner Merkliste. Mir reicht schon das, was die BookCrosser*innen „Mt. TBR“ und andere Bookaholics „SuB“ nennen. Von der Pflichtlektüre für das Studium ganz abgesehen. Letztlich erwies sich aber die Kombination aus Live-Event und Stargast als unwiderstehlich. Ein großes Vergnügen! Und im Ergebnis steht – natürlich – ein weiteres Buch auf der Liste. „Glitterschnitter“ nämlich von Sven Regener. Irgendwie ist an mir vorbeigegangen, dass es mittlerweile sechs „Herr Lehmann“-Bücher gibt. Ich kenne davon erst drei. Das muss sich ändern! Ich weiß nur noch nicht, wann.
Die Kombination Uhlmann/Wells hätte sich mir nicht zwingend aufgedrängt. Aber da scheinen sich wirklich zwei gefunden zu haben. Spaß hatten sie, vielleicht ein wenig zu sehr; es wurde mit der Wiederholung etwas anstrengend, dieses „Boah, Mensch! Wir zwei in der Elbphilharmonie!!!!“ Andererseits aber auch sehr rührend. Auf alle Fälle unterhaltsam. Das Springsteen-Cover hat mich zwar nicht ganz überzeugen können, alles Übrige dagegen sehr. Bruce, der Tod, Thees, Benedict und das Danke für die Angst-Trio wurden zu Recht mit Standing Ovations belohnt. Ein Abend, den die Brüder im Geiste auf der Bühne bestimmt nicht vergessen werden.
Buchpremiere „Unsterblich sind nur die anderen“ von und mit Simone Buchholz in der FABRIK
Es war einmal ein #Segelsexbuch. Das hieß zum Zeitpunkt der Buchpremiere in der FABRIK aber noch nicht so. Erst später am Abend eskalierten die Dinge auf Twitter wie in den besten Zeiten dort und das war schön. Ist es immer noch. Ganz großer Spaß und so viel positive Energie, man möchte baden darin. Um nicht zu sagen: SEGELN!
Den neuen Roman von Simone Buchholz – ob mittels Hashtag oder ohne – auf die (Segel-)Sexszenen reduzieren zu wollen ist allerdings Unfug. Ihn ins tradierte Genreschema einzuordnen erscheint unmöglich. Alles sowieso zweitrangig, da für die Wirkung vollkommen irrelevant. Und Wirkung hat er zweifelsohne, wenn auch auf jede*r eine etwas andere – das lese ich zumindest aus den ersten Reaktionen heraus, die im Netz zu finden sind.
Mich trafen dieser Abend und das Buch geradezu irritierend passgenau an einem Kreuzungspunkt. Sie lösten einen dieser glasklaren Augenblicke aus, in denen man sich fragt: „Was mache ich da eigentlich?“ oder, wahlweise: „Was bin ich da im Begriff, zuzulassen?“ und auch gleich die wahrscheinlichste Antwort darauf kennt. „Halt!“, befahl sodann die innere Stimme, „Nicht wieder aufs Riff lotsen lassen.“ Innehalten, nachspüren. Die sich abzeichnende Weichenstellung direkt vor mir betrachten, die nicht meine ist. Sollte ich die ändern? Falls ja: Kann ich es? Falls nein: Ist Weiterfahren ok? Oder besser nicht?
Da hatte ich das Buch noch gar nicht gelesen. Das habe ich inzwischen nachgeholt. Da sind so viele Sätze, den halben Roman könnte ich zitieren und nahtlos drum herum meine eigene Biographie des Liebens und des größtenteils daran Scheiterns formen. Im Moment bewege ich mich zwischen zwei ganz bestimmten Sätzen, aber in ein paar Wochen oder Monaten, wenn ich das Buch ein weiteres Mal lese, werden es andere sein.
Wahrhaftig ein Buddelschiff für den täglichen Bedarf.
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