Internationales Sommerfestival 2019 auf Kampnagel

Und im nächsten Jahr mache ich es wieder richtig. Mit Festivalkarte und so.

Soweit der gute Vorsatz, geäußert in der Nachbetrachtung zum letztjährigen Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel. Den muss ich wohl Anfang des Jahres, die BBC Proms fest im Blick, schon wieder komplett verdrängt gehabt haben. Als ich nämlich die dritte Festivalwoche des Jahres 2019 mit einer Urlaubsabwesenheit überplante. Es rächte sich. Ich sag nur: Chilly Gonzales.

Nun tritt der Mann ja durchaus öfter in Hamburg auf. Unter normalen Umständen also höchstens ein Fall von blödes Timing. Aber: Solo Piano I, II und III. In der Elbphilharmonie. Für mich ist das einer dieser Konzertwünsche, die man gar nicht erst zu denken wagt, geschweige denn zu äußern. Kommt wahrscheinlich auch nicht wieder. Und dann auch noch Kid Koala. Seit „Nufonia must fall“ (2014) bin ich Fan. „Satellite Turntable Orchestra“ findet nun leider ohne mich statt.

Ich fluchte. Sehr, sehr laut.

Aber hilft ja alles nichts, meine Bilanz kommt nun also schon nach zwei von drei Wochen und insgesamt sechs Veranstaltungen. Mit Festivalkarte. Eine Steigerung, immerhin.

Carsten „Erobique“ Meyer & Paul Pötsch & Lea Connert: Wir treiben die Liebe auf die Weide

Nach den Erfahrungen der letzten beiden Jahre entschied ich mich am ersten Festivaltag gegen die „große“ Eröffnung in der K6 („Marry me in Bassiani“) und für die Erforschung der DDR-Musik der 60er und 70er Jahre. Beim Betreten der K1 war ich zunächst verschnupft, denn die vorhandene Bestuhlung reichte bei weitem nicht für alle der knapp 300 Karteninhaber. Der Satz „da haben sie wohl ein paar mehr Tickets verkauft, als hier Platz ist“ schwebte durch den Raum. Offenbar hatte nicht nur ich mit mehr Inszenierung und weniger Konzert gerechnet. Innerlich murrend platzierte ich mich auf dem Boden vor der Bühne, wo sich bereits einige Sitzgrüppchen gebildet hatten. Gegen diese Stimmung anzuspielen erwies sich sowohl für die Band als auch den als Ansager und Einpeitscher beständig vor, auf, neben und hinter der Bühne irrlichternden Bernd Begemann als gar nicht so einfach. Aber spätestens beim Titelsong von Nina Hagen & Automobil hatten sie mich.

Ich kannte aus dem Programm nur „Der blaue Planet“ von Karat. Keine Kunst, zugegeben. Im Ohr behalten habe ich neben „Komm komm (Wir treiben die Liebe auf die Weide)“ insbesondere „He, wir fahr’n mit dem Zug“ von Veronika Fischer (fällt mir bestimmt wieder ein, wenn ich das nächste Mal dienstlich nach Rostock muss), „Sing nur“ von Gjon Delhusa (grandioser Auftritt von Sidney Frenz) und „Mont Klamott“ von Silly. Kurzum: Nicht unbedingt, was ich erwartet hatte, aber musikalisch unbestritten großartig.

Socalled & Friends: Space – The 3rd Season feat. Kiran Ahluwalia

Socalled, das Kaiser Quartett und die Puppen, das musste natürlich. Nach der Erfahrung mit „The 2nd Season“ im vorletzten Jahr lockten mich an „Space“ in erster Linie die Songs und das Puppenspiel als solches. Aber ich wollte auch wissen, wie die Geschichte von Bär, Tami und Tina weitergeht.

Allein, die Story war noch ein wenig dünner als im vorangegangenen Kapitel, der Mitmachteil fürs Publikum zündete nicht und was die von Kiran Ahluwalia verkörperte außerirdische Königin an „Singing in Harmony“ eigentlich so verwerflich findet, hat sich aus sprachlichen Gründen vermutlich auch nicht jedem der Anwesenden erschlossen. Da fehlte ein Twist. Und Raffinesse. Schade.

(La)Horde: Marry me in Bassiani

Während ich auf den Beginn von „Space – The 3rd Season“ wartete, entschied ich mich spontan, „Marry me in Bassiani“ doch noch eine Chance zu geben. Nicht zuletzt des Nachtkritik-Artikels wegen. Wir liegen nicht immer auf einer Wellenlänge, aber wenn Falk sagt: „Diesmal hat mir die Eröffnung wirklich gut gefallen!“ interpretiere ich das als klare Empfehlung.

Und tatsächlich, auch ich mochte es, wenn auch mit kleinen Abstrichen. Ich mochte den (Volks-)Tanz, der aber, über die Gesamtlänge gesehen, zu sehr ausgewalzt und als Selbstzweck zelebriert wurde. Ich mochte das Bühnenbild und die Kostüme, konnte die musikalische Entwicklung nachvollziehen und war fasziniert von einzelnen Szenen (der Brautstrauß!), aber Story und Botschaft des Stücks als Ganzes erschlossen sich mir nicht. In anderen Worten: Viel Tanz und (zu) wenig Theater. Mitreißend aber allemal.

Kris Verdonck: SOMETHING (out of nothing)

„Eine synästhetische Theaterüberwältigung in Zeiten des Klimawandels“, hatte ich im Programmheft über „SOMETHING (out of nothing)“ gelesen und mich folglich auf einiges gefasst gemacht. Leider war das einzige, was mich während der rund 85 Minuten Laufzeit überwältigte, eine bleierne Langeweile. Zwar gefielen mir die Kostüme, der (Cello-)Sound und die Skulpturen, man sah und hörte aber ansonsten viele Worte bei wenig Tanz, noch weniger Handlung und so gut wie gar keinem Schauspiel. Das Publikum in der K2 reagierte verhalten. Eine „4th Season“ von Socalled würde ich mir trotz der oben beschriebenen Defizite noch anschauen, Kris Verdonck habe ich dagegen fürs Erste von meiner Liste gestrichen. Eine waschechte Niete.

Agnieszka Polska/Metahaven/Robert Lippok & Lucas Gutierrez: The New Infinity 2019

Sommerfestival goes Planetarium – warum auch nicht! Mit „Immersion – The New Infinity“ der Berliner Festspiele wehte zur Abwechslung mal ein anderer Wind in der ansonsten edutainment- und altstarrocklastigen Programmstruktur unter der Kuppel. Gezeigt wurden drei Werke: „Elektra“ von Metahaven, „Non-Face“ von Robert Lippok & Lucas Gutierrez und „The Happiest Thought“ von Agnieszka Polska.

Davon hat mir „Non-Face“ am besten gefallen, der Grafik wegen. Mit „The Happiest Thought“ konnte ich dagegen wenig anfangen und obwohl ich planetarisch erfahren bin, hat mir die 360°-Wackelkamera bei „Elektra“ ziemlich zu schaffen gemacht.

Richard Reed Parry presents Quiet River of Dust

Im Anschluss lud Richard Reed Parry zu seinem Fulldome-Unterwassertrip „Quiet River of Dust“.

Das war mir persönlich zwar ein klein wenig zu psychedelisch. Aber herrlich erfrischend verglichen mit den regelmäßigen Konzert- und Musikshows des Hauses: Pink Floyd, Queen, DJ Jondal, Tabaluga…

Sommerfestival

Und sonst so? Über den Avant-Garten kann ich diesmal nichts schreiben – es gab nämlich keinen. Das Eis war lecker, die Playlist hilfreich, der Codo-Buchstand wie immer stöbernswert und ganz hinten in der Ecke, hinter den Klos nahe dem Eingang zur kmh, habe ich sogar ein Stückchen Festivalvorhang entdeckt. Leider hatte ich darüber hinaus viel zu wenig Gelegenheit, neben dem Hallenprogramm Festivalluft zu schnuppern. Das muss dringend wieder anders werden.

Nächstes Jahr. Ganz bestimmt.

Begegnung bei Vollmond

Gegen viertel nach zehn bin ich auf dem Weg vom Planetarium quer durch den Stadtpark nach Hause. Aus Gründen trage ich eine Yogamatte unter dem Arm.

Komischer Typ der Sorte „hoffentlich labert der mich nicht an“ nähert sich von schräg links. Guckt einmal über die Schulter, zögert, geht ein paar Schritte weiter, guckt zweimal. Labert mich an. „Sind Sie Yoga-Lehrerin?“

Ich: „Nö.“
Komischer Typ: „Was machen Sie denn beruflich so?“
Ich: „Ich arbeite im öffentlichen Dienst.“
Komischer Typ: „Das heißt Sie arbeiten in einer Behörde oder so?“
Ich: „Yep.“

Komischer Typ „das ist echt nicht interessant“ in seinen spärlich vorhandenen Bart murmelnd nach links ab.

Ich liebe meinen Job.


Über die neue Show „Best of Deep Space Night“ im Planetarium schreibe ich, wenn ich sie gesehen habe. Die echte „Best of“. Mit den richtigen Zugaben. Nichts gegen Wayne Morris, aber ich steh halt nicht so auf Opa-Rock.

Nachtrag

Worüber ich in den letzten 14 Tagen bisher nicht gebloggt habe:

  1. HAM.LIT 2018,
  2. das „Blind Date“ im Kleinen Saal der Elbphilharmonie,
  3. Christian Löffler bei „le concert abstrait“ im Planetarium Hamburg.

HAM.LIT, die „Lange Nacht junger Literatur und Musik“, ist grundsätzlich super. Nur platzt die Veranstaltung langsam aber sicher aus allen Nähten. Das Gedränge nahm zwischenzeitlich ein Ausmaß an mit dem ich nicht kompatibel bin. Mein persönliches Highlight war der Auftritt von Hundreds im Ballsaal des Uebel & Gefährlich. Schade nur, daß ein Großteil der Anwesenden die komplette Performance zerquasselte. Sie verpaßten auf diese Weise die mutmaßlich einmalige Gelegenheit, Hundreds-Klassiker in einer aufs Wesentliche reduzierten Fassung für Klavier und Gesang zu genießen.

Beim „Blind Date“ in der Elbphilharmonie kauft man für 25 Euro die Katze im Sack. Alles ist möglich: Klassik, Kammermusik, Jazz, Folk, Elektronik; weitere Vorinformationen gibt es nicht. Der zweite Termin der neuen Reihe wurde von Remy van Kesteren bestritten, einem holländischen Harfenisten. Van Kesteren entspricht so gar nicht dem Klischee, daß diesem Instrument anhaftet und spielte sowohl eine Konzert- als auch eine Deltaharfe solo, geloopt und mit elektronischen Elementen. Nur eine Handvoll Besucher des komplett ausverkauften Saals verließen diesen vorzeitig – völlig legitim, man kann bei einem Blind Date eben auch mal daneben liegen. Der Künstler nahm es sportlich; die Mehrzahl blieb und spendierte Standing Ovations. Im Eintrittspreis ist ein Freigetränk enthalten, als Anregung, sich nach dem Konzert an der Bar mit dem oder den Künstlern austauschen zu können. Das ist leider nur ein theoretischer Wert, denn auch der kleine Elphi-Saal faßt noch zu viele Menschen, als daß dies in aller Ausführlichkeit möglich wäre. Zudem ist das nach den Renovierungsarbeiten wieder in vollem Umfang zugängliche Foyer baulich nicht gerade ideal dafür. Trotzdem, eine hochgelungene Veranstaltung! Ich bin nach Möglichkeit wieder dabei. Und Remy van Kesteren kommt auf meine Liste.

Und Christian Löfflers Auftritt bei „le concert abstrait“? Ich machs kurz: Prädikat „besonders planetarisch“.

le concert abstrait: Ben Lukas Boysen und Raphaël Marionneau im Planetarium Hamburg

Als ich Anfang Juli letzten Jahres nach dreieinhalb prallgefüllten London-Tagen ebenso derbe übermüdet wie aufgedreht im Flugzeug Richtung Hamburg saß, hatte ich eher zufällig das Album „Spells“ von Ben Lukas Boysen auf den Ohren. In Heathrow herrschte Hochbetrieb und in einer endlos scheinenden Schlange von Kurz- und Mittelstreckenmaschinen kamen wir nur langsam voran. Vor uns eine weitere BA, hinter uns eine Finnair: Die Flieger starteten im Minutentakt. Schließlich rückte unser Slot näher, zeitgleich erklangen die ersten Takte von „Nocturne 4“ aus meinem Kopfhörer. Exakt bei 2:39 bog die Maschine auf die Startbahn und beschleunigte.

Seither ist die Musik von Ben Lukas Boysen für mich untrennbar mit dem Gefühl des Abhebens verknüpft und insofern erschien mir die Location für seinen ersten Live-Auftritt in Hamburg ideal gewählt.

Dazu kommt, dass die musikalische Entdeckungsreise, die mich unter anderem zu diversen Erased Tapes-Künstlern (und damit überhaupt erst nach London) führte, vor etwas mehr als zehn Jahren im Planetarium und bei Raphaël Marionneau begonnen hatte. Somit schlossen sich mit dem ersten „le concert abstrait“ für mich gleich mehrere Kreise. Wobei, der Vergleich hinkt. Die korrekte geometrische Darstellung wäre wohl ungleich komplexer.

Neben der Vorfreude über die angekündigte Konstellation war ich darauf gespannt, wie Ben Lukas Boysen, unterstützt von Schlagzeug, Harfe und Cello (Anne Müller! Wie schön!), die perfekt arrangierten Studioklänge live umsetzen würde. Tatsächlich war der Planetariumsauftritt erst sein zweites Konzert überhaupt; die Premiere hatte Anfang September anlässlich des zehnjährigen Bestehens von Erased Tapes („Erased Tapes is ten“) im Londoner Village Underground stattgefunden.

Kurz nach 19 Uhr war es schließlich so weit: Umrahmt von zwei meiner allerliebsten AWVFTS-Tracks starteten Raphaël und Ben nebst Band zu einem einzigartigen Höhenflug. Erwartung erfüllt und übertroffen! Von der freigesetzten Endorphinladung werde ich eine ganze Weile zehren können.

"Do androids wish upon electric stars?"
„Do androids wish upon electric stars?“

Nur eine einzige Steigerung zu diesem Debüt kann ich mir noch vorstellen. Ich schreibe sie nicht auf, denn ich habe einen Wunsch unter dem künstlichen Sternenhimmel getan, zu elektronischen Sternschnuppen, und es ist anzunehmen, dass für dieses Verfahren die gleichen Gesetze gelten wie in der Natur.

Nachtrag: MSM im Planetarium Hamburg

Preisfrage: Wo bekommt man – unter anderem! – Peter Schilling, The Korgis, Johann Sebastian Bach, Monolake, Reinhard Mey, den Erdbeermund (das waren Culture Beat, oder? Meine Güte, ist das lange her), Phil Collins, Schiller, Sade, Brian Eno und Autograf in einem Set zu hören? Und dann auch noch so fabulös bebildert und belasert?

Antwort: Das gibt es nur bei MSM aka Mousse T./Schiller/Marionneau im Planetarium Hamburg.

Sternstunde. Ab jetzt wieder jährlich, ja? Wir bitten darum.

Musik liegt in der Luft

Hamburg-Winterhude. Hinter dem Planetarium zerparkt Mousse T. den gerade erst frisch wieder angewachsenen Grünstreifen. Zugegeben, es ist eine schicke Karre – Maserati hat hässlichere Autos gebaut – und der Mann ist in guter (bzw. schlechter) Gesellschaft, wie die zahlreichen Reifenspuren beweisen. Dennoch, nicht sehr gentlemanlike, Herr von und zu! So weit ist der Parkplatz nicht entfernt. Und wer keinen Fahrer hat, darf ruhig auch mal ein paar Schritte zu Fuß laufen.

"DJ, wir wissen, wo Dein Auto steht!"
„DJ, wir wissen, wo Dein Auto steht!“

Damit beende ich die Lästerei, sonst macht es morgen Abend am Ende noch „Meeep!“ bei der Ticketkontrolle und ich werde nicht reingelassen. Das wäre fatal, immerhin steht das erste Mousse T./Schiller/Marionneau nach 3 1/2 Jahren an. Ich schmunzele immer noch ein bisschen über die Veranstaltungsankündigung von heute Morgen, die mir die Facebook-App ungefragt aus dem Französischen übersetzte: „T-Schaum./Schiller/Marionneau“. Immer, wenn ich glaube, dass ich endlich alle Automatismen abgestellt habe, die mir den Newsfeed versauen, denken sich Zuckerbergs Schergen eine neue Finte aus. Wenigstens hat mir diese einen Lacher entlockt.

Auf der anderen Seite des Stadtparks kündigen Fury in the Slaughterhouse einen Konzeptabend an. „30 Jahre Fury, 30 Songs. Ich hoffe, ihr habt Zeit mitgebracht!“ Es erklingt das Intro von „Radio Orchid“. Ich singe die erste Strophe und den Refrain mit, bis ich außer Hörweite bin.

Le Voyage Abstrait im Planetarium Hamburg

Mitte Februar wurde das Planetarium Hamburg nach rund anderthalb Jahren Umbauzeit wiedereröffnet. Meine Stadtpark-Laufrunde führt seitdem wieder um das Gebäude herum und einige Details der Umgestaltung fallen schon von außen ins Auge. Auch die Innenräume neu zu erobern, hatte ich mir jedoch für die erste „le voyage abstrait“ am gestrigen Sonnabend aufgehoben.

Gleich bei den Eingängen, unten am ausgebauten Sockel, betritt man Neuland. Die großzügig gestaltete Eingangshalle mit dem Kassenbereich ist nach oben offen und gibt den Blick auf das erhalten gebliebene Deckengemälde mit den Sternbilddarstellungen aus dem Jahr 1930 frei. Die Treppenaufgänge und der gläserne Aufzug fügen sich wunderbar ein und der Spendentrichter, mittig aufgestellt, bekommt an diesem Platz endlich die Aufmerksamkeit, die er verdient. Wir lernten gestern: Ein Kamelrennen-Chip vom Hamburger Dom ist gerade groß genug, um nicht durch das Loch zu passen. Hat man einen solchen zur Hand, ist unendlicher Spaß garantiert.

Die Gastronomie macht einen guten Eindruck und erst die neuen Toiletten! Wobei die Sache mit der Kindertoilette, nun ja, die wird sich wohl auf Dauer nicht bewähren. Wenn die Kloschlange wächst, hilft auch kein „Blattpapier“ der Reinigungsfirma, dass diese doch bitte nicht von Erwachsenen benutzt werden möge. Wobei bei uns gleich die Frage aufkam, ob es bei den Männern auch ein Kinderklo gibt. Das konnte gestern nicht vollständig aufgeklärt werden. Als weiteren kleinen Kritikpunkt kann man noch den ohrenbetäubend lauten Turbo-Händetrockner aufführen (der alternativ angebotene Papierbehälter war natürlich leer). Dessen Höllenkrach drang nach der kontemplativen ersten „voyage“-Hälfte besonders unangenehm ins Hirn vor. Sehr schön dagegen ist, dass es jetzt Schließfächer gibt. Man braucht keine Münzen, sollte aber nicht mit laptopgroßen Messengertaschen anrücken. Dafür sind die Fächer zu klein.

Die obere Rotunde mit dem Eingang zum Sternensaal erscheint ein wenig unbehaust. Die Globus-Leihgabe hat einen Pixelfehler, ein Sessel und mehrere Touchscreens stehen herum und wirken konzeptlos. Das wird sich sicher bald ändern, wenn dort in Kürze die erste Ausstellung einzieht. Von der ebenfalls aufgestellten „Kuhllegin“ sollte man sich nicht hinters Licht führen lassen: Achtung, Fake Cow! Die echte Stella wacht im Untergeschoss in den Räumen des Planetariumsshops, der noch seiner Eröffnung harrt.

Beim Eintritt in den Sternensaal fallen zwei Dinge sofort ins Auge. Zum einen die neuen Sitzpolster in sattem Rot, worauf sich augenblicklich eine Diskussion entspann: Welche Farbe hatten die Sessel zuvor? „Auch rot!“, behaupteten meine Begleiter. Und ich hätte schwören können, dass… aber sei’s drum, reine Nebensache. Viel wichtiger war der Blick nach oben: Dass sich da gewaltig etwas bei der Auflösung getan hat, verriet uns schon das Kuppelstandbild mit Logo.

Auch bei Rechnerleistung und Software ist aufgerüstet worden und tatsächlich schwenkte der blaue Planet bei Reisebeginn flüssig in und wieder aus dem Bild. Damit taten sich Saturn und diverse andere Visuals im späteren Verlauf deutlich schwerer. Da muss sich wohl noch einiges einspielen. Die Laser hingegen ließen sich nichts anmerken und feuerten, als hätte es nie eine Unterbrechung gegeben.

Zehn!
Zehn!

Und musikalisch? Uns Hardcore-Fans, die wir über Monate mit schlimmen Entzugserscheinungen zu kämpfen hatten, hätte man auch eine schlichte Wiederholung vorlegen können. Aber derlei sieht dem Soundpiloten Raphaël Marionneau nicht ähnlich und so war die „voyage“ nicht gar mehr so „abstrait“, wie wir es kannten. Es gefiel uns, ebenso wie der neue Schlusstrack – mit A Winged Victory for the Sullen kriegt man mich ja immer.

Das Warten hat sich also gelohnt: Planetariumsum- und -ausbau gelungen! Demnächst probiere ich noch, ob der Kuchen im Café Nordstern etwas taugt. Ob ich dabei draußen sitzen oder eines der gemütlich aussehenden Sofas testen werde, entscheidet das Wetter.

Es ist kompliziert: eine Klaviergeschichte

Bevor ich an dieser Stelle endgültig neue Seiten aufschlage, möchte ich noch einen älteren Beitrag nachreichen bzw. wieder aufnehmen. Es ist gewissermaßen die Vorgeschichte zu allem, was meine (fortgesetzt nicht ganz unproblematische) Beziehung zum Klavierspielen betrifft. Es erklärt auch, warum die Sache mit Nils Frahm und „Sheets Zwei“ in London für mich nicht nur einfach etwas Besonderes, sondern quasi die ultimative Mutprobe war – ein Teil von mir fasst ja immer noch nicht, dass ich da tatsächlich hingefahren bin.

Der Text erschien am 26. 5. 2015 auf Facebook und einen Tag später als Gastbeitrag bei „Is a Blog“.

„Es ist kompliziert“: Dieser Satz beschreibt die Beziehung zwischen mir und meinem Klavier wohl immer noch am besten. Wir arbeiten daran, dass es weniger kompliziert wird und deswegen geht es diese Woche in die Werkstatt.

In der Zwischenzeit kann ich die Geschichte dazu erzählen.

Klavierunterricht war in meinem Falle eine freiwillige Angelegenheit. Ein ausdrücklicher Wunsch sogar. Der erste Unterrichtsversuch war zwar eine Katastrophe und das erste Instrument kein Klavier, sondern ein Zustand in Form einer elektronischen Heimorgel. Aber irgendwann stiegen meine beiden Schwestern mit ein, ein echtes Klavier kam ins Haus und wir zu einem richtigen Lehrer.

Das ging so bis zur Oberstufe. Dann, nach dem Abitur, kam ein großes, schwarzes Loch. Kein Klavier mehr, kein Unterricht mehr; keine nennenswerte Verbindung mehr zum aktiven Musizieren. Zehn Jahre lang.

Bis zu dem Tag, an dem ein Freund zu mir diesen Satz sagte: „Ich finde, in jedem Haushalt sollte ein Instrument stehen.“ „Klick!“, machte es bei mir, und von jetzt auf gleich wollte ich wieder ein Klavier haben.

Grotrian(-Steinweg)
Grotrian(-Steinweg)

Ich fing an zu suchen und fand. Es war Liebe auf den ersten Ton. Aber es war kompliziert, denn etwas war unterbrochen zwischen meinem Kopf und meinen Händen. Ich konnte nicht spielen, was ich hören wollte. Das hatte nichts mit übertriebenem Ehrgeiz zu tun. Alles, was ich wollte, war mich ausdrücken können und mir selbst nicht wehtun dabei. Das klappte nicht. Egal was ich versuchte.

Über lange Zeit blieb das so und es gab immer wieder Phasen, in denen ich monatelang keinen Ton spielte. Dennoch, nie wäre mir in den Sinn gekommen, das Klavier wieder wegzugeben. Ich ahnte: Es ist eine Frage des richtigen Zeitpunkts und es fehlt noch etwas. Eines Tages finde ich es vielleicht.

"Do androids wish upon electric stars?"
„Do androids wish upon electric stars?“

Und dann, am 30. Jahrestag des Starts der Voyager 1-Mission, saß ich im Planetarium und sah einer nicht ganz unprominenten Dame dabei zu, wie sie am Flügel mein Lieblingsklavierstück zerholzte. Ich hatte das Stück lange nicht gehört und noch länger nicht versucht, es zu spielen. Trotzdem sprang während dieser fragwürdigen Performance ein ebenso ketzerischer wie absurder Satz in meinen Kopf: „Das könntest du besser!“ Technisch nie, aber vom Gefühl her.

Wenige Minuten später sahen wir eine Projektion der Voyager 1-Sonde an der Sternenkuppel und hörten dazu ein Musikstück, das absolut perfekt dazu passte und mir anschließend tagelang nicht mehr aus dem Kopf ging. Ich bemühte meinen damaligen Kontakt beim Planetarium, bekam Interpret und Titel genannt und begab mich auf die Suche. Ich stellte sehr schnell fest, dass die gehörte Version des Stücks mit dem treffenden Titel „Numero Uno“ offenbar nur auf einer CD enthalten war. Ein Blick auf die Tracklist: OK, Du hast mich. Es gibt mehr davon? Sogar noch mehr? Gekauft.

Lieferung abwarten. Anhören. Nochmal anhören. Und nochmal. Und wieder. Dabei bei einem der Stücke wieder einen Satz im Kopf haben. Einen, den ich jahrelang nicht gedacht hatte. „Ob es dazu wohl Noten gibt?“

Es gab. Rund drei Wochen nach dem Abend im Planetarium versuchte ich mich zum ersten Mal an Ludovico Einaudis „Le Onde“.

Dann hat es, und hier muss ich abkürzen, noch einmal 5 Jahre und 10 Monate gedauert, bis der letzte Knoten platzte, ich es endlich mit Schwung durchspielen konnte und bis aus Tastengestolper so etwas wie Musik wurde. Diesmal mit einem „Klick“, der, wenn es dort ein Ohr dafür gibt, vermutlich irgendwann noch im interstellaren Raum zu hören sein wird. Da ist Voyager 1 nämlich gerade.

Dummerweise ist es genau deshalb immer noch ziemlich kompliziert. Aber wir arbeiten dran, mein Klavier und ich, und wenn es aus der Werkstatt kommt, geht das auch endlich 24/7. Den Nachbarn zum Trotze.

Fortsetzung folgt.

Le Voyage Abstrait (2002-2015)

Ja, ich weiß: Es kommt noch eine „Voyage Abstrait Deluxe“ (am 31. 7.), aber eben keine reguläre mehr. Und deswegen kommt das hier jetzt schon.

Als ich irgendwann Ende 2006 zum ersten Mal im Vorraum zum Sternensaal des Planetariums stand und das Deckengemälde sah, hatte ich schlagartig dieses Zitat im Kopf: „… und er war auf dem feurigen Schwanz eines Kometen geritten“. Ich wusste, dass es aus einem meiner Lieblingsbücher aus Kindertagen stammt. Es fiel mir nur partout nicht ein, aus welchem und ich vergaß die Sache bald darauf wieder.

Ende 2013 – übrigens das Jahr des Klavier-„Klicks“, Stichwort interstellarer Raum – erreichte mich aus Kanada und über eine längst vergessene Mailingliste der Aufruf, ich möge mich doch am „The Dark is Rising 40th Anniversary Readathon“ beteiligen. Also nahm ich zum ersten Mal seit jahren wieder die „Wintersonnenwende“ („The Dark is Rising“) von Susan Cooper in die Hand. Kein Buch habe ich als Kind mehr geliebt und keines so oft gelesen – und da war es dann:

(…) and the patterns of the stars made themselves known to him, both like and unlike the shapes and powers attributed to them by men long ago.
The Herdsman passed, nodding, the bright star Arcturus at his knee; the Bull roared by, bearing the great sun Aldebaran and the small group of the Pleiades singing in small melodic voices, like no voices he had ever heard. (…)
And when he was done, he knew every star in the heavens, both by name and as charted astronomical points, and again as something much more than either; and he knew every spell of the sun and moon; he knew the mystery of Uranus and the despair of Mercury, and he had ridden on a comet’s tail.

Ganz genau so.

Danke für den Flug.