In Concert: Stefan Geiger und das NDR Elbphilharmonie Orchester in der Elbphilharmonie

Ich muss nicht weit ausholen, um eine Verbindung zwischen Kampnagel und dem gestrigen Filmmusikkonzert des NDR Elbphilharmonie Orchesters in der Elbphilharmonie herzustellen. War es doch ein Stummfilmkonzert des damaligen NDR Sinfonieorchesters in der K6, welches mein Interesse an Orchesterkonzerten ganz allgemein entfachte.

Nachdem das Orchester Anfang 2017 in die neue Spielstätte umzog und seinen Namen änderte, war es zunächst vorbei mit den Filmkonzerten. Dafür sei leider zu wenig Luft im Kalender der Eröffnungssaison, hieß es auf Nachfrage. Nach vier Jahren fand das Genre nun endlich wieder Eingang in das Programm des NDR EO, und so kam Stefan Geiger erstmals vor neuer Kulisse dazu, den Orchesterkollegen in einem Filmmusikkonzert vorzustehen. Zwar ohne Leinwand, aber dafür mit einer Werkauswahl des Komponisten John Williams, dem amerikanischen Altmeister des Genres. Zu hören waren Auszüge aus „Jurassic Park“, „Unheimliche Begegnung der dritten Art“, „Harry Potter und der Stein der Weisen“, „E.T. – Der Außerirdische“ und „Star Wars: Das Erwachen der Macht“. Es bedurfte nur weniger Takte, um mich daran zu erinnern, dass meine allererste Orchestermusikliebe die Filmmusik gewesen ist: Soundtracks von John Barry, James Horner, Ennio Morricone, Thomas Newman, Alan Silvestri und eben John Williams.

Das hat viel zu lange gedauert, liebes NDR EO! Ich hoffe sehr, dass diese Art Konzerte künftig wieder einen festen Platz in eurem Repertoire haben werden. Vielleicht denkt ihr auch darüber nach, die Ausflüge in die K6 wieder aufzunehmen. Ohne die Konzerte damals auf Kampnagel wäre ich heute wohl eine sehr viel schlechtere Elphi-Kundin. Immerhin kommt Kampnagel auch in euer Revier, beispielsweise mit der Kooperation zwischen dem Sommerfestival und dem Elbphilharmonie Sommer!

Gesessen habe ich ausnahmsweise hinter und nahe dem Orchester. Eigentlich ist das aus akustischen Gründen überhaupt nicht zu empfehlen, insbesondere dann nicht, wenn vorne auf der Bühne Solist:innen oder gar Sänger:innen stehen. Bei „Orchester pur“ ist der Sound einigermaßen in Ordnung, nur die Celesta ging streckenweise etwas unter. Einen großen Vorteil hatte die Position: Ich war frühzeitig über die Zugabe informiert. Es wurde der „Raider’s March“, besser bekannt als das „Indiana Jones Theme“.

Apropos Zugabe. Eigentlich müsste ich noch zwei weitere Konzerte im Detail nachtragen. Ich mache es kurz, um endlich den Berichtsrückstand aufzuholen.

Zum einen ist es das Konzert des West-Eastern Divan Orchestra unter der Leitung von Daniel Barenboim mit Michael Barenboim (Violine) und Kian Soltani (Violoncello) als Solisten. Gegeben wurde Brahms‘ Konzert für Violine, Violoncello und Orchester a-Moll op. 102, die Sinfonie a-Moll M48 von César Franck und – mein Herz! – der „Nimrod“ aus den Enigma Variations von Edward Elgar. Es war rundherum großartig, aber besonders nachhaltig im Gedächtnis geblieben ist mir neben dem „Nimrod“ der Auftritt von Kian Soltani.

Beim zweiten Nachtrag handelt es sich um die Saisoneröffnung der Spielzeit 2021/22, der „Opening Night“ des NDR EO unter Alan Gilbert und mit Yo-Yo Ma am Violoncello. Normalerweise bekommt man als Normalsterbliche für dieses Event keine Karten, aber offenbar hatten sich deutlich weniger Menschen den Vorverkaufsstart auf Termin gelegt als zu Vor-Corona-Zeiten. Das mag zwar schlecht sein fürs Geschäft, aber ich beschwere mich nicht!

Auch Yo-Yo Ma verließ nicht ohne Zugabe den Saal. Zusammen mit einer kleinen Streichergruppe aus dem Orchester präsentierte er eine melancholisch-beschwingte Version von „Summertime“, passend zum Schwerpunkt des Programms, welches aus Werken von Leonard Bernstein, Samuel Barber, Mark-Anthony Turnage und George Gershwin bestand, und trotz des Titels in seiner Grundstimmung ebenso passend zum Datum, dem meteorologischen Herbstanfang.

Da sind wir also nun: Herbst 2021, Saisonanfang. Bleibt zu hoffen, dass es nicht wieder zu einem Abbruch kommt.

In Concert: Martha Argerich und Daniel Barenboim in der Laeiszhalle

Als mittlerweile regelmäßige Besucherin von klassischen Konzerten weiß ich inzwischen, wie der Hase läuft: Wenn Stars zusammen mit einem Orchester angekündigt werden, bestreiten sie höchstens einen kleinen Teil des Programms. Sol Gabetta spielt Schostakowitsch und verschwindet anschließend, um dem NDR Elbphilharmonie Orchester mit Dvořáks neunter Sinfonie das Feld zu überlassen, bei Daniel Hope ist es Alban Bergs Violinkonzert, der Rest des Abends gehört den Philharmonikern und Johannes Brahms.

Dass allerdings beim Konzert vorletzte Woche in der Laeiszhalle zu Anfang weit und breit kein einziger Flügel zu sehen war, erzeugte bei mir einen Anflug von schlechter Laune. Schließlich war es nicht zuletzt dem Staraufgebot geschuldet, dass mein übliches Ticketbudget nur für einen sichteingeschränkten Platz im zweiten Rang gereicht hatte.

Aber dann kamen Guy Braunstein, Alisa Weilerstein und Rafael Payare mit den Symphonikern, begannen das Doppelkonzert „à la mémoire d’un grand artiste“ nach dem Klaviertrio op. 50 von Tschaikowsky und spätestens bei der zweiten Variation – streng genommen sind es vermutlich Sätze, aber dieser Terminus passt besser zu dem, was ich gehört habe – verschwand dieser Anflug restlos. Bis heute ist mir nicht eingefallen, in welchem Zusammenhang mir Rafael Payare zuvor begegnet ist, aber der Mann hat jetzt mindestens einen Fan mehr. Grandios!

Im zweiten Konzertteil tauchten dann die Flügel auf und mit ihnen die Stars des Abends. Leider erwies sich bei den leiseren Tönen, dass nicht allein der Elbphilharmonie das zweifelhafte Privileg zukommt, benimmbefreite Konzertbesucher zu beherbergen. Ich hätte rundherum Schienbeine eintreten mögen, da oben im zweiten Rang, auf den billigen Plätzen. Dennoch werden mir die drei Werke von Schumann und Debussy als ganz besonderes, ja unvergessliches Konzertereignis im Gedächtnis bleiben. Eine zauberhaftere Version von „Prélude à l’après-midi d’un faune“ werde ich wahrscheinlich nicht mehr zu hören bekommen.

Das Festival „Rendezvous mit Martha“, so hörte ich, wird wohl im nächsten Jahr wiederholt. Zur Neuauflage der Begegnung Argerich/Barenboim in Hamburg, sollte es dazu kommen, werde ich mir einen besseren Platz gönnen. Ich weiß nun: Es lohnt sich. Selbst für eine Konzerthälfte.

Very british

Apropos Royal Albert Hall.

Das kam bei der Planung meines Londonbesuchs im September direkt an dritter Stelle, gleich hinter Flug und Unterkunft: Gibt es noch Tickets für ein BBC Prom-Konzert im fraglichen Zeitraum? Es waren nicht mehr viele, aber es gab, und um die Sache abzurunden, buchte ich noch die „Grand Public Tour“ dazu.

Die ist, gemessen an der Länge, zwar kein Schnäppchen und der Blick hinter die Kulissen hält sich in Grenzen, wenn die Halle in Konzertvorbereitung steht und es bis zur berühmten „Last Night“ kaum mehr eine Woche ist. Dennoch, ich lernte eine Menge und hatte zudem mein Vergnügen an der energiegeladenen Präsentation der jungen Dame, die uns herumführte.

Was ich unter anderem nicht wusste:

  • Der volle Name des Hauses lautet „Royal Albert Hall of Arts and Sciences“.
  • In der Royal Albert Hall kann man nicht nur Konzerte erleben, sondern auch Boxkämpfe und hochkarätige Tennisereignisse.
  • Im Elgar Room auf der „Rausing Circle“-Ebene steht „Big Red“, der rote Flügel, auf dem Elton John während seiner „Red Piano Tour“ spielte. Auch hier finden Konzerte statt.
  • Für eine Aufführung von „Madame Butterfly“ wurde die Bühne geflutet.
  • Die Akustik in der Hall war ursprünglich ganz furchtbar. Die Form der Decke erzeugte ein mehrsekündiges Echo – schrecklicher geht es kaum, bedenkt man die hauptsächliche Nutzung des Gebäudes als Konzertsaal. Erst durch den Einbau der „Mushrooms“ genannten Fiberglasscheiben im Jahre 1969 wurde dieses Problem beseitigt.

    BBC Proms
    Mushrooms
  • Während der Prom-Konzerte zieht eine Büste Sir Henry Woods aus der Royal Academy of Music in die Royal Albert Hall um. Sir Henry Wood (1869-1944) gilt als der Erfinder der (BBC) Proms.
  • Zur Finanzierung des Gebäudes wurden in den 1860er Jahren unter anderem Plätze zum Preis von je 100 Pfund an Privatpersonen verkauft. Das Nutzungsrecht für diese beläuft sich auf 999 Jahre, gezählt ab der Eröffnung im März 1871. Rund 1.300 der bis zu knapp über 5.200 (Sitz-)Plätze sind somit noch immer in Privatbesitz und wenn davon einige zum Verkauf angeboten werden, steht das als „seltene Gelegenheit“ in der Presse.
  • Queen Victoria erwarb seinerzeit 20 Plätze, die in der Queen’s Box zusammengefasst sind. Das ist die Doppelbox mit dem Krönchen auf der „Grand Tier“, der Beletage des Konzertsaals. Wenn in der Queen’s Box keine Königlichen sitzen, werden die Plätze unter den Mitarbeitern des Buckingham Palace verlost.
  • Die Queen selbst besucht die Royal Albert Hall nur einmal im Jahr, und zwar zum „Festival of Remembrance“ im November.
  • Es gibt einen Treppenaufgang nebst Aufenthaltsraum, der den Mitgliedern der königlichen Familie vorbehalten ist, wenn sie sich im Gebäude aufhalten. Die Tür zu beidem liegt praktischerweise direkt gegenüber der Queen’s Box. Sie befindet sich zwischen Tür 7 und 8, ist selbst aber unmarkiert. Einige Mitarbeiter der Royal Albert Hall nennen sie deshalb „Tür 7 3/4“ – in Anlehnung an Gleis 9 3/4 der King’s Cross Station aus „Harry Potter“.

Im Anschluss durfte ich dann die Hall als Konzertsaal live erleben: Im Prom 70-Konzert spielten Daniel Barenboim und die Staatskapelle Berlin Mozart und Bruckner. Von meinem Sitz in den Stalls aus hatte ich einen guten Blick auf die Bühne, aber auch auf die Stehplätze im Innenraum, dem Reich der sogenannten Prommers. Diese Stehplätze kosten 6 Pfund und man muß sich lange vor dem Konzertbeginn einen guten Platz in der Schlange sichern, um vorne dabei zu sein. Die Prommers sammeln während der Konzerte für karitative Zwecke und sind auch ansonsten immer für eine Aktion gut. Da stehen alle Sorten Leute, darunter auch solche, die sich während des Konzerts ungefähr so bewegen, wie ein Hanseat bei einem Rockkonzert – gemäßigt enthusiastisch also, aber definitiv agiler, als man es vom gemeinen Klassikgenießer her gewohnt ist. Sehr sympathisch.

Zur Krönung des Tags und Abends machte ich schließlich noch die (fortdauernde) Bekanntschaft meiner sehr netten Sitznachbarin.

Da muss ich nochmal hin.

London (Part II): Tag 6

The Sky Garden, Leadenhall Market, Old Spitalfields Market, Rough Trade East und die BBC Proms in der Royal Albert Hall.

20 Fenchurch Street...
20 Fenchurch Street…
... The Sky Garden
… The Sky Garden

Eigentlich war ich durch mit der City, aber ich hatte den Besuch im „Sky Garden“ von 20 Fenchurch Street fest vorgebucht, auf mehrfache Empfehlung hin. Ihr hattet alle recht: sensationell und für lau! Nur rechtzeitig reservieren muss man.

Diagon Alley (Winkelgasse)
Diagon Alley (Winkelgasse)

Als Nebeneffekt konnte auf dem Fußweg von dort Richtung Spitalsfield die City in Wochentagsaktion erleben: ein völlig anderes Bild. Außerdem entdeckte ich den Leadenhall Market, der mich ein bisschen an den „Victorian Walk“ im Museum of London erinnerte. Ich fühlte mich fast wie in einer Filmkulisse. Wie ich später erfuhr, stand ich tatsächlich in einer: Stichwort Harry Potter.

Old Spitalsfield Market
Old Spitalsfield Market
Street Art
Street Art

In Spitalsfield stolperte ich dann noch über Rough Trade East. Das entschädigte mich mehr als reichlich dafür, dass ich das irgendwo in der Nähe gelegene und auf meiner Karte eingezeichnete Museum of Happiness partout nicht finden konnte.

Royal Albert Hall
Royal Albert Hall
BBC Proms
BBC Proms

Über den Besuch des Prom 70-Konzerts (Daniel Barenboim und die Staatskapelle Berlin, Mozart & Bruckner) in der Royal Albert Hall am Abend und die „Grand Public Tour“ zuvor könnte ich jetzt noch einen halben Roman schreiben. Mach ich vielleicht auch mal irgendwann.