Internationales Sommerfestival 2023 auf Kampnagel

Die diesjährige Ausbeute war eindeutig zu mager: Zu ganzen vier Veranstaltungen habe ich es während des Internationalen Sommerfestivals 2023 auf Kampnagel geschafft. Immerhin, drei davon verbuche ich als Highlights.

(La) Horde/Ballet national de Marseille: Age of Content

Das Eröffnungsstück  von (La)Horde und dem Ballet national de Marseille gehörte – für mich überraschenderweise – leider nicht dazu.

Zum einen verstand ich die Story nicht, zum anderen war das Werk schlicht gute 15 bis 20 Minuten zu lang. „Marry me in Bassiani“ hatte mir seinerzeit ganz gut gefallen, „Age of Content“ hat mich dagegen gar nicht überzeugt. Schade.

Walid Raad: Cotton Under My Feet – The Hamburg Chapter

Das war ein ziemlicher Ritt durch die Hamburger Kunsthalle, denn dort spann Walid Raad entlang von im Gebäude des historischen Gründungsbaus verstreuten Objekten aus Fiktion und Historie (s)eine Geschichte. Zunächst schienen es nur Fragmente zu sein, die da teils im atemberaubenden Tempo und in schnellen Wechseln vorgetragen wurden. Doch nach und nach verdichteten sich die Bruchstücke, einem Mosaik nicht unähnlich, zu einem großen, verwirrenden Ganzen – letztlich, so eine der Botschaften, hängt doch alles mit allem zusammen, wenn auch bisweilen auf recht absonderliche Art und Weise.

Das Tempo, zudem in englischer Sprache, mag nicht für jeden vor Ort ideal gewesen sein. Die allermeisten Gesichter – oder so kam es mir jedenfalls vor – spiegelten aber mein eigenes Empfinden wieder: aus anfänglicher Skepsis wuchs Faszination bis hin zur Begeisterung. „Cotton Under My Feet – The Hamburg Chapter“ ist übrigens noch bis einschließlich 12. November 2023 per Audioguide oder in weiteren weiteren Live-Terminen zu sehen, zu hören und zu erleben.

Nesterval: Die Namenlosen – Verfolgt in Hamburg

Unter Unterhaltung fällt „Die Namenlosen – Verfolgt in Hamburg“ nicht. In dem Stück, welches die Verfolgung Homosexueller während der Nazizeit in Hamburg  nachzeichnet, wird das Publikum nicht geschont. Man kann es Pech nennen oder auch Glück, dass ich von Anfang bis zum Ende durchgehend der unsympathischsten (und mutmaßlich auch mit weitem Abstand sadistischsten) Figur gefolgt bin. Auf diese Weise bekam ich das volle Programm geboten, inklusive einer drastischen Folterszene. Das war herausfordernd. Gelinde gesagt. Nicht umsonst wurde zu Beginn der Vorstellung auf die Möglichkeit verwiesen, sich jederzeit herausziehen zu können und ich habe nicht nur nach dieser einen Szene ernsthaft darüber nachdenken müssen. Dabei hatte ich nicht einmal alles gesehen. Theoretisch konnte man im ehemaligen Kakaospeicher Baakenhöft über 180 Szenen als Zuschauer in Begleitung und aus der Perspektive der Charaktere erleben. In drei Stunden Spielzeit schafft man davon aber nur einen Bruchteil. Aus meiner Sicht hat das mir schon aus „Sex & Drugs & Budd’n’brooks“ bekannte Format des begleiteten Szenenwechsels auch bei diesem schweren Thema gut funktioniert – vielleicht ein wenig zu gut, ich habe lange gebraucht, bis ich den Abend einigermaßen verarbeitet hatte. Anderen ging es anders, an einer Stelle fiel gar das Wort „Holocaust-Kitsch“. Zugegeben, das Schlussbild („Niemals vergessen“) war vielleicht ein klein wenig drüber, aber meinen Gesamteindruck konnte das nicht schmälern. Ich bleibe dabei: gerne jederzeit wieder Nesterval. Thema egal.

Graindelavoix: Rolling Stone

Das Konzert fand am letzten Festivaltag in Kooperation mit dem Elbphilharmonie Sommer im Großen Elphi-Saal statt.

Ein bisschen musste ich mich leider ärgern: Im ersten Teil des Konzerts wurde ein Film auf eine weiße Leinwand projiziert, die vermutlich nicht ganz zufällig einem Leintuch glich; geht es doch in der „Erdbebenmesse“ von Atoine Brumel um jenes Erdbeben, welches der vom Grab Jesu wegrollende Stein verursacht haben soll. Auch in dem gezeigten Dokumentarfilm von 1967 wurde diese Erzählung aufgegriffen. Allein, gesehen habe ich so gut wie nichts davon: Auf den Seitenplätzen hatte man die „Leinwand“ nämlich im Querschnitt vor der Nase. Das hätte ich gern vorher gewusst. Aber letztlich war ich wegen der Musik da, nicht wegen des Drumherums, und an dem musikalische Part gab es wenig zu kritisieren. Beeindruckend.

Zum Festival Avant-Garten kann ich mich nicht verhalten, ich war nämlich gar nicht dort (außer am Eröffnungstag). Das kommt davon, wenn man die Veranstaltungen in die gesamte Stadt verstreut! So schön, spannend und interessant das im Einzelfall ist: Das richtig echte Festival-Feeling kommt dadurch eindeutig zu kurz.

In Concert: „Die Frau, nach der man sich sehnt“ mit Pascal Schumacher und den United Instruments of Lucilin in der Elbphilharmonie

Ich habe, das ist dem einen oder der anderen vielleicht nicht entgangen, eine besondere Schwäche für Stummfilmkonzerte. Meine besondere Schwäche für Pascal Schumacher hingegen ist weniger bekannt und hat ziemlich viel mit einem sehr aufschlussreichen Abend im Rahmen des Elbjazz-Festivals vor drei Jahren zu tun. Die Kombination von beidem enthält noch einen besonderen Twist, den hier zu erklären allerdings viel zu kompliziert wäre. Ganz abgesehen davon, dass einige der dazugehörigen Details inzwischen sattsam verjährt sind.

Wir wollen uns also weitgehend auf den heutigen Filmabend beschränken. Pascal Schumacher kann Jazz, das wusste ich schon. Pascal Schumacher kann aber auch (Stumm-)Filmmusiken komponieren und ich finde, er sollte das häufiger tun. Und dann bitte auch höchstpersönlich live aufführen. Letzteres sehr gerne wieder mit den United Instruments of Lucilin und vorzugsweise in Hamburg!

Die Kunstpause…

… im Susammelsurium ist vorbei! Die Hitzewelle wohl erst einmal auch und dass das beides zusammenfällt, ist mit Sicherheit kein Zufall.

Gestern wurde das Internationale Sommerfestival auf Kampnagel eröffnet, ich war dabei und habe mich insgesamt viermal eingebucht. Der Bericht kommt wie immer ganz zum Schluss. Zwischendrin stehen auch noch je einmal „Elbphilharmonie Sommer“ und Schleswig-Holstein Musik Festival auf dem Programm.

Wobei, ganz auf Kulturnull war ich ja doch nicht. Während der letzten Wochen habe ich es immerhin in eines meiner Lieblingsmuseen geschafft, durchaus in der stillen Hoffnung, dort ein erträglicheres Klima vorzufinden.

Mobile Welten: "Give the drummer some!"
Mobile Welten: „Give the drummer some!“
Art Déco - Grafikdesign aus Paris: A. M. Cassandre
Art Déco – Grafikdesign aus Paris: A. M. Cassandre
Toaster Times: Die Anfänge
Toaster Times: Die Anfänge
Toaster Times: Toastmaster
Toaster Times: Toastmaster
Toaster Times: Bunt
Toaster Times: Bunt

Bis einschließlich 1. OG hat das einigermaßen geklappt, aber auf Höhe der Spiegelkantine war’s doch wieder gut mollig.

Spiegel-Kantine
Spiegel-Kantine

Und dann wurde mir noch etwas Musik ins Postfach gespült: Tom Gatza heißt der junge Mann und es ist – natürlich! – irgendwas mit Klavier. Musikalisch schwer einzuordnen: „Tilbuin“ erinnert mich beispielsweise tendenziell an GoGo Penguin, nur mit weniger Druck und weniger Jazz, die Klaviersolostücke wieder an ganz andere Zeitgenossen. Alles weder sonderlich spektakulär noch innovativ, aber ich habe die EP „Melo“ (erscheint am 5. 10. 2018) nun schon seit ein paar Tagen auf den Ohren, mag sie und würde die Stücke bei Gelegenheit gern auf Livetauglichkeit überprüfen.

Am 1. 10. 2018 im Häkken klappt das nur leider noch nicht. Da bin ich nämlich bei Pierre-Laurent Aimard in der Elbphilharmonie.

In Concert: Das Avishai Cohen Trio in der Elbphilharmonie

Ich war gerade beim Avishai Cohen Trio in der Elbphilharmonie und kann’s kurz machen:

  1. Mehr Bass geht nicht – zumindest, was die akustische Variante angeht,
  2. mehr Jazz beinahe auch nicht,
  3. der Sound war diesmal hervorragend,
  4. ich habe einen neuen Lieblingsplatz. Leider teuer, aber heute jeden Cent wert.

In Concert: GoGo Penguin mit „Koyaanisqatsi“ in der Elbphilharmonie

Als ich den Großen Saal der Elbphilharmonie im Februar dieses Jahres zum ersten Mal betrat, schoss mir durch den Kopf: „Filmkonzerte werden wohl weiterhin in der Laeiszhalle stattfinden. Das geht hier ja höchstens mit einem Videowürfel.“ Als dann aber das Programm des Elbphilharmonie Sommers veröffentlicht wurde, standen sehr wohl Filmvorführungen mit Livemusikbegleitung auf der Agenda, gleich mehrfach sogar. Umso gespannter war ich auf die Umsetzung.

Filmkonzert in der Elphi
Filmkonzert Elphi-Style

Die Lösung des Dilemmas: Hinter der Leinwand und da, wo man sie nicht wenigstens in Teilen einsehen kann, werden schlicht keine Plätze besetzt. Das war mir schon beinahe zu profan. Und ein bisschen schade war es auch für die, denen es genügt hätte, GoGo Penguin spielen zu hören. Man hätte sicher noch einige Hörplatztickets verkaufen können.

Koyaanisqatsi

Wobei deren Inhabern dann verborgen geblieben wäre, wie brillant das Trio den Film von Godfrey Reggio musikalisch untermalt hat. Nicht nur bezüglich der Klangfarben und des Charakters der jeweiligen Stücke, sondern insbesondere des in nahezu jeder Szene perfekten Timings. Schade nur, dass man den Sound nur als blechern bezeichnen konnte. Ein ganz und gar gläsernes Klangbild, ja, kann man machen, vielleicht war es als Stilmittel sogar so gewollt. Aber klingt dann halt bescheiden.

Bei meinem zehnten Elphi-Konzert wird es ein anderes Jazztrio sein, ohne Film und dafür hoffentlich mit mehr Wärme. Ich werde berichten.

Ein Satz mit X (und einer mit Ätsch)

Nein, ich will mich nicht beschweren. Ich war ja schon im Großen Saal der Elbphilharmonie und ich habe per Stand heute noch Karten für fünf*) weitere Veranstaltungen in diesem Jahr. Beim Vorverkaufsstart im letzten Sommer war geraume Zeit nahezu freie Wahl für Frühentschlossene – von ein paar sehr begehrten Konzerten einmal abgesehen. Es kamen nach und nach ein paar Festivals sowie Konzerte externer Veranstalter dazu; es lohnte sich, immer mal wieder einen Blick auf das Programm zu werfen. Und zeitnah zuzugreifen.

Dann wurde es Januar, die spektakuläre Eröffnung rückte näher und plötzlich brach allenthalben Torschlusspanik aus. „Wie, Du hast Elphi-Karten?!? Wie hast Du das geschafft?“ Siehe oben. Keine Hexerei.

Inzwischen gleicht es einer Lotterie. In dem stetig anschwellenden „Ist mir doch egal, was ich sehe/höre, Hauptsache ich war mal drin“-Hype geht der Elbphilharmonie-Ticketshop bei jeder weiteren Vorverkaufsstartankündigung gnadenlos in die Knie. Trotz kontinuierlicher Aufrüstung.

Oh! Ein Ticket! Hurra!
Oh! Ein Ticket! Hurra!
Hübsches Dach. Aber wo geht's zum Checkout?
Hübsches Dach. Aber wo geht’s zum Check-out?
Nu komm mal in die Hufe. Die Warenkorbfrist läuft gleich ab.
Nu komm mal in die Hufe. Die Warenkorbfrist läuft gleich ab!
Orrrr.
Orrrr.

„Pffft, kauf ich mir halt ein Ticket für GoGo Penguin im Uebel & Gefährlich„, denk ich. Und während alles noch auf die rotierende Elphi-Webseite starrt, finde ich via Eventim zufällig heraus, dass heimlich, still und leise auch der Vorverkauf für das Konzert von Martin Kohlstedt Ende Dezember begonnen hat. Veranstaltungsort: Der Große Saal der Elbphilharmonie.

Ätsch.


*) Jetzt: Sechs.