Sommersonnenwende

Ich traue dem Trend: Es geht aufwärts! Nicht linear, aber immerhin tendenziell. Der Juli ist erreicht und damit auch zwei berufliche Meilensteine, von denen einer hoffentlich zur weiteren Besserung beitragen wird.

In der Zwischenzeit berichte ich über die Monate Mai und Juni.

Mai

Im Mai war ich erstmals bei „Wir sind spät, aber es ist noch heute“, der „MusikFilmLeseBühne“ mit Julia Herrgesell, Herbert Hindringer, Katrin Seddig (Text), Katharina Stiel und Thea Seddig (Film) sowie wechselnden musikalischen Gästen im Nachtasyl. „WSSAEINH ist ein Gesamtkunstwerk, künstlerisches Experiment und Antwort auf ungestellte Fragen, so unterhaltsam wie fordernd, hart aber schön“, so die Beschreibung. Das trifft es sehr gut und das Nachtasyl mit seiner Wohnzimmeratmosphäre plus Bar ist die perfekte Spielstätte dafür. Der Abend im Mai fand im Rahmen des Festivals „Hamburg liest die Elbe“ statt und war daher entsprechend wasser- bzw. elbelastig. Die Musik stammte von Doro Offermann (Saxophon) und ­Maria Rothfuchs (Kontrabass). Insgesamt war es eine sehr abwechslungsreiche, hm, Zusammenstellung? Collage? Ich war jedenfalls nicht zum letzten Mal dabei. Im Juni konnte ich leider nicht, aber wenn ich es richtig gesehen habe, ist der nächste Termin im September.

Meine erste LIGNA-Erfahrung führte mich 2021 in den stillgelegten Kaufhof Mönckebergstraße. Bei „Das Wunder von Hamburg – eine Wallfahrt zum Elbtower und anderen Ruinen“ steigt das Publikum in einen fahrenden Theaterbus und reist zu fragwürdigen Bauprojekten beziehungsweise deren Resten in der Stadt.

Kurzer Olaf
Kurzer Olaf

Neben dem Elbtower, im Hamburger Volksmund mittlerweile auch „kurzer Olaf“ genannt, lagen unter anderem die Esso-Häuser auf St. Pauli, die Europapassage, der Neubau der Gänsemarkt-Passage – eine weitere Benko-Hinterlassenschaft – und der Ort, an dem die Kühne-Oper entstehen soll auf der Route der performativen Stadtrundfahrt. Auch das seit Jahren brachliegende Holstenareal wurde zumindest filmisch berücksichtigt. Ein amüsanter Nebeneffekt der etwas anderen Stadtrundfahrt waren die erstaunten Blicke der Passanten. Wir müssen ein lustiges Bild abgegeben haben; nicht nur passiv zuhörend und zuschauend hinter der Glasfront des umgebauten LKW, sondern auch, entsprechenden Anweisungen über Kopfhörer folgend, auf auf unseren Wegen durch die Europapassage, auf der Straße unterhalb der ehemaligen Karstadt-Brücke und auf dem Platz gegenüber der Elbtower-Baustelle. Allesamt durch das LIGNA-Team poetisch verpackte, aber dessen ungeachtet haarsträubende Stories, aus denen klar wird: Wenn Investoren und Spekulanten mit Versprechungen und Geldern winken, haben nicht nur Bedürfnisse und Wünsche der Stadtgesellschaft allzuoft das Nachsehen, sondern auch die kommunalen Haushalte. Solche Touren ließen sich in vielen Städten problemlos nachbilden, nicht nur in Deutschland. Sie sollten Pflichtprogramm für Entscheidungsträgerinnen und -träger sein.

re:publica 25: Generation XYZ
re:publica 25: Generation XYZ

Über die re:publica 2025 in der STATION Berlin hätte ich unter normalen Umständen einen eigenen Bericht geschrieben.

Digitalminister auf Stippvisite
Digitalminister auf Stippvisite

Auf den ersten Blick stellte sich die Veranstaltung als ein gigantisches, alle Sinne überwältigendes, als Festival getarntes, mediales und politisches Schaulaufen dar. Ich verbrachte den Großteil des ersten Tages meines re:publica-Debuts damit, mich zurecht zu finden. Wo ist was, wie kommt man am Schnellsten von A nach B und zurück? Wie ist die Verpflegungssituation? Wo ist die Kloschlange am Kürzesten? Wie umgehen damit, dass alles vermeintlich besonders Interessante zur gleichen Zeit stattfindet? Wann die Zeit finden, sich mit Leuten zu verabreden?

Ost-West-Begegnung auf der ARD ZDF Media Stage
Ost-West-Begegnung auf der ARD ZDF Media Stage

Die vorläufige Schlussfolgerung, mehr nach Leuten zu gucken und nicht primär nach Themen, habe ich am zweiten und dritten Tag umzusetzen versucht. Überraschenderweise hatte ich mich Ende deutlich mehr mit beruflichen beziehungsweise Studiumsthemen beschäftigt als mit privaten Interessen. Überrascht war ich auch darüber, wie wichtig, ja nachgerade wohltuend das für mich war (Stichwort „Therapiestunde zur Verwaltungsdigitalisierung“). Dabei konnte ich meine ganz und gar privat finanzierte Teilnahme mangels entsprechender Anerkennung bedauerlicherweise nicht einmal als Bildungsurlaub abwickeln.

Keine digitale Sau: Rosalinde
Keine digitale Sau: Rosalinde

Bei einem „Das Festival für die digitale Gesellschaft“ werden naturgemäß hauptsächlich digitale Säue durchs bundeshauptstädtische Dorf getrieben. Aber eben nicht nur. Ein Beispiel war die sehr gut besuchte und ebenso ernüchternde wie ermutigende Podiumsdiskussion „Wer hat Angst vor den Wechseljahren?“ mit Miriam SteinMandy Mangler und Franka Frei (moderiert von Franzi von Kempis).

Podiumsdiskussion: "Wer hat Angst vor den Wechseljahren?"
Podiumsdiskussion: „Wer hat Angst vor den Wechseljahren?“

Weitere Highlights waren Natascha Strobl mit „Vom Schwarzhemd zu TikTok. Postmoderner Faschismus“, Dr. Pop, Diane Weigmann, Ralph Kink (GEMA), Annelie AUFMISCHEN und Nina Fiva Sonnenberg mit „Next Level Sound? Wie KI die Musikwelt verändert“, Vera Magali Keller und Vivian Kube mit „Legal, illegal, scheißegal? – aktivistische Rechtsberatung gegen die europäische Rechtstaatlichkeitskrise“ und Paul Yoshio Steinwachs mit „Pop-Kultur als generationsübergreifender Rettungsschirm: Mit Star Trek, Yoda und Satire gegen den Wahnsinn der Gegenwart“. Gut gefallen hat mir auch die Podiumsdiskussion „Big Tech-Regulierung: Wer setzt unsere Rechte durch?“ mit Klaus Müller (Präsident Bundesnetzagentur), Andreas Mundt (Präsident Bundeskartellamt) und der BfDI Louisa Specht-Riemenschneier unter der Moderation von re:publica-Mitgründer Markus Beckendahl. Die persönliche Begegnung mit „Menschen aus dem Internet“ kam dabei fast ein bisschen zu kurz. Immerhin kann ich nun einigen weiteren Profilnamen Gesichter und Stimmen zuordnen. Es war mir ein großes Vergnügen! Ob ich im nächsten Jahr wieder teilnehmen werde? Noch unklar. Im Prinzip gerne wieder, aber vielleicht nicht jedes Jahr, sondern eher so alle zwei oder drei Jahre? Es wird sich zeigen.

Juni

Sir Simon Rattle hatte ich schon ein paar Mal live erleben dürfen. Aber das BRSO noch nicht, welches sich zu den besten Orchestern Deutschlands und – jedenfalls nach Meinung einer 2023 vom Magazin bachtrack befragten Kritikerinnen- und Kritiker-Jury – auch der Welt zählen darf. Höchste Zeit, das nachzuholen. Allerdings bin ich kein Fan von Pierre Boulez und konnte auch mit dem „Rituel in memoriam Bruno Maderna“ nicht allzu viel anfangen. Von einem meiner Lieblingsplätze in 13 I des Großen Saals der Elbphilharmonie aus kann man aber das Geschehen im Orchester und sowohl die Gestik als auch die Mimik des Dirigenten sehr gut beobachten. Eines haben zeitgenössische Stücke nämlich in der Regel wenigstens: einen hohen Unterhaltungsfaktor. Meistens gibt es reichlich Aktion auf der Bühne (und im Falle des „Rituel“ auch verstreut im Saal: eine der sieben Gruppen, aus denen sich das Orchester in der Partitur zusammensetzt, war hinter den Sitzreihen in 15 Q platziert), oft in Kombination von Tönen, die man nicht immer auf Anhieb auch den erzeugenden Instrumenten zuordnen kann.

Der zweite Teil des Konzertabends bestand aus „Daphnis et Chloé“ von Maurice Ravel und das, so fand ich, war in jeder Hinsicht großartig.

Das letzte „Blind Date“ der Saison entpuppte sich als französisches Ensemble names „The Curious Bards“, welches skandinavische Barockmusik aufführte. Zwar verloren die vier Instrumentalmusikerinnen und -musiker und Ilektra Platiopoulou (Mezzosopran) im Laufe des Konzerts einen kleinen Teil des Publikums, der verbliebene Rest aber ließ sich begeistern. Völlig zu recht. Schon wegen der ebenso charmanten wie dynamischen Moderation Platiopoulous und des für unsere Breiten und Zeiten nicht gerade gewöhnlichen Instrumentariums, darunter eine Hardangerfiedel, eine Nyckelharpa und eine Cister.

Das eine Faszinosum des Juni-Werkstattkonzerts innerhalb der Kohärenzen-Reihe der Klangmanufaktur war der Interpret Erik Breer genannt Nottebohm. Es gibt also tatsächlich immer noch Menschen, die mit einem Genannt-Namen herumlaufen! Das andere war die Werkauswahl, darunter „Variations on Balkan Themes op. 60“ der amerikanischen Komponistin Amy Beach – die Dame war mir bis dahin völlig unbekannt – und „Regard de l’Église d’amour“ von Olivier Messiaen. Vor allem Letzteres: beeindruckend.

Das kann man auch über die Aufführung der „Complete Piano Etudes by Philip Glass“ im Großen Saal der Elbphilharmonie sagen. Die Bühne teilten sich ein Flügel, zehn Klavierbänke und nacheinander zehn Pianistinnen und Pianisten mit teils wild unterschiedlichen Auftritten und Interpretationsansätzen. Man kann Glass nämlich auch wie ein Jazzer (Christian Sands, Etuden #9 und #10) spielen. Oder als japanisches Gesamtkunstwerk (Maki Namekawa, Etuden #19 und #20) aufführen. Schade, dass der Veranstalter es so offensichtlich schwer hatte, den Saal wenigstens einigermaßen zu füllen. Ich hatte mein Ticket sehr früh erstanden in der Erwartung, es würde sehr schnell ausverkauft sein. Das hat sich in diesem Falle nicht ausgezahlt.

Dann war da noch Martin Kohlstedt auf Kampnagel. Erst fühlte ich mich unwohl in Reihe eins; das ist doch ein wenig zu sehr Präsentierteller für meinen Geschmack und ein bisschen nackenstarrig sind die ersten zwei bis drei Reihen in der K6 auch, wenn die Halle bis an die Bühne heran bestuhlt ist. Aber dann war es doch der perfekte Beobachtungsplatz. Wobei es die Nähe nicht braucht, um die Energie zu spüren, die von dort vorne ausgeht. Ich meine das so, wie ich schreibe: von irgendwo auf der Bühne, nicht zwingend ersichtlich von dem Menschen, der auf ihr steht. Man sieht schon, das da etwas passiert und man sieht die Bewegungen. Aber nicht alle Energiestöße sieht man kommen. Bei manchen gibt es keine Vorwarnung.

Jetzt kommt eine Pause bis ungefähr August und dann ist auch schon bald wieder Sommerfestival. Für das ich bisher nur eine einzige Karte habe, weil alles, was ich sonst noch sehen wollte, entweder in meine Urlaubsabwesenheit fällt oder schneller ausverkauft war, als ich gucken konnte (Nesterval – dammit!). Kann also gut sein, dass mein Sommerfestival-Artikel für die 2025er Ausgabe sehr, sehr kurz ausfällt.

Jahresendspurt

Wie, schon der 21. Dezember?! Da werde ich doch noch ein weiteres Mal in den Schnelldurchlauf-Modus umschalten müssen. Bevor der Jahreswechsel mich kalt erwischt.

Ende Oktober war ich bei Kruder & Dorfmeister im Großen Saal der Elbphilharmonie. In den 90ern, als die beiden Wiener ihre große Zeit hatten, hat mich zwar ganz andere Musik interessiert. Es war aber nicht mein erstes K&D-Livekonzert. Ich wusste also in etwa, was mich auf und vor der Bühne erwarten würde. „‚The K&D Sessions‘ live“ war trotzdem anders: Das gesamte Album aus dem Jahr 1998 wurde nämlich tatsächlich live gespielt, mit einer richtigen Band. Das war auch richtig klasse, einigen im Publikum jedoch nicht laut genug. Zum Zuhören waren die nicht gekommen. Überrascht hat mich das nicht.

Die Ohren spitzen musste man unbedingt bei Jay Schwartzs „Passacaglia – Music for Orchestra IX“, dem ersten Stück des Konzerts von Teodor Currentzis und Utopia am gleichen Ort ein paar Tage später. Dem Programmheft entnahm ich, dass das Werk auf dem Lied „Du bist die Ruh“ von Franz Schubert basiert. Ein in dem Text verarbeitetes Zitat bezeichnet Schwartz zudem als „Schubert unserer Zeit“. Gehört habe ich davon nichts. Es ist meine zweite Begegnung mit Schwartzs Werken und ich gestehe, ich fange nicht viel damit an. Da ist Mahlers fünfte Sinfonie, der zweite Programmpunkt des Abends, doch wesentlich zugänglicher. Deren vierter Satz, das Adagietto, ist einem breiteren Publikum durch die Visconti-Verfilmung der Thomas Mann-Novelle „Der Tod in Venedig“ bekannt geworden. Mein Lieblings-Satz ist es nicht – ich finde, der klingt irgendwie, ich weiß nicht, verwaschen? Abgesehen davon fehlte mir beim Zuhören die Ruhe, denn zum ersten Mal seit langer Zeit hatte ich mich hinsichtlich gewisser Bedürfnisse gewaltig im Timing verschätzt. Ich schaffte es gerade noch zum Ende des fulminanten fünften Satzes, um dann beim ersten Applaus zum Ausgang zu sprinten. Pro-Tipp: Sitzt man in 13 I, ist das nächste stille Örtchen nicht in der 13. Etage, sondern die hintere Treppe hoch in der 15. Etage. Mit Dank an die freundliche Platzanweiserin, die meine Not mit einem Blick erkannte und mir den kürzeren Weg wies. Zur Bach-Zugabe „Jesus bleibet meine Freude“, gespielt und gesungen (!) vom Orchester (sehr schön!), war ich dann auch schon wieder im Saal.

Anfang November zog es mich zur Aufzeichnung einer „eat.READ.sleep“-Sonderfolge mit Daniel Kaiser und Katharina Mahrenholz im Rahmen des 17. Hamburger Krimifestivals auf Kampnagel. Das war mein drittes „eat.READ.sleep“-Live-Event und obwohl es beim Krimi-Spezial zu der ein oder anderen Holprigkeit kam (so zum Beispiel zu sich wiederholenden Fragen bei den Rätseln): Diese Veranstaltungen sind absolut empfehlenswert! Macht einfach Laune. Besonders habe ich den Fitzek-Verriss genossen. „Das Kalendermädchen“ erzielte hohe Werte auf der Rossmann-Skala. Ich hab da vielleicht nicht richtig aufgepasst, ist die eigentlich nach oben offen? Sollte sie wahrscheinlich besser sein. „Glückskekse und Abgründe“ kann man hier nachhören.

Tags darauf folgte eine Neuentdeckung (Mit freundlicher Unterstützung! Nochmals vielen Dank dafür!): die Klangmanufaktur in Borgfelde und deren Werkstattkonzertreihe „Kohärenzen“. Die Klangmanufaktur ist in erster Linie ist eine Werkstatt, in der Konzert­flügel von Steinway & Sons generalüberholt werden.

Sie bietet aber auch Flügel zur Miete, Proberäume und Seminare für Konzerttechnik an. Und eben Werkstattkonzerte. Da sitzt man sehr exklusiv buchstäblich mitten in der Klavierwerkstatt. Ein magischer Ort! Es wird aber keinesfalls nur Klaviermusik gegeben: An fraglichen Abend sahen und hörten wir eine Violin-Klasse von Professor Christoph Schickedanz und Niklas Liepe mit Flügelbegleitung (ein D-Flügel Baujahr 1971, Schwarz + Mahagoni seidenmatt geölt – sogar noch zu haben! Für 145.000 Euro!). Aufgeführt wurden Werke von Claude Debussy, George Antoine, Joseph Jongen und Karol Szymanowski. Das war phantastisch, da bin ich bestimmt jetzt öfters. Wer Karten für die „Kohärenzen“ haben möchte, muss sich allerdings jeweils sehr zeitig darum bemühen. Auch die Warteliste ist schnell ausgebucht. Der Eintritt ist kostenlos. Um Spenden wird gebeten und zwar ganz klassisch mittels eines Hutes, der nach dem Konzert herumgereicht wird.

Ende November war es dann endlich Zeit für die Rocket Men mit „Lost in Space“ im Planetarium Hamburg. A match made in heaven! Ich habe die Laser ein bisschen vermisst, aber wahrscheinlich war die Entscheidung richtig, sich zugunsten der Musik und der Künstler auf Visuals zu beschränken. Sehr gerne wieder so.

Anfang Dezember war ich spontan beim Kaiser Quartett im NACHASYL. Das ging schon gar nicht anders, denn auch das Konzert war recht spontan anberaumt worden. Das Kaiser Quartett wollte nämlich sein neues Mitglied präsentieren: Statt Adam Zolynski ist künftig Amanda Bailey an der Violine dabei. Da müsste übrigens nicht nur die offizielle Webseite des Quartetts dringend aktualisiert werden, auch der alte Spruch „4 Kings 1 Kaiser“ passt ja nun nicht mehr! Jedenfalls, Amanda Bailey spielte nicht nur, als gehörte sie schon immer dazu, sie sang auch, zum Beispiel den Song „Empire“. Eine sehr schöne Weiterentwicklung, ich bin Fan! Das neu formierte Ensemble hatte aber noch ein weiteres Ass im Ärmel: Mitten im Konzert trat Anna Depenbusch mit „Eisvogelfrau“ und „Alles auf Null“ auf die Bühne.

Dieser Coup hatte einen besonderen Hintergrund: Nächstes Jahr gehen alle fünf nämlich zusammen auf Tournee. Für das Konzert am 17. Juni 2025 in der Elbphilharmonie hatte ich bereits gleich bei Ankündigung eine Karte erstanden, denn das wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sehr, sehr großartig.

Das „Blind Date“ Mitte Dezember habe ich leider verpasst. So schnell wäre der ICE auch ohne medizinischen Notfall in Düsseldorf nicht gewesen, um mich von der Masterverleihung im Rheinland rechtzeitig nach Hamburg zurückzubefördern. Bedauerlicherweise bin ich die Karte im Vorfeld nicht mehr losgeworden. Das ist mir völlig unverständlich – „Blind Dates“ sind fast immer ausverkauft und fast immer super, da geht man doch hin, wenn man die Gelegenheit hat! Aber das „Orchesterkaraoke“ mit den Jungen Symphonikern Hamburg auf Kampnagel habe ich noch erwischt. Irgendwie ist mir da die Ankündigung durchgegangen (Wie? Warum?!), es wurde schon schwierig, noch einen guten Platz zu ergattern. Ich kann nur von der zweiten Show um 20:30 Uhr berichten, aber behaupte einfach mal: Das war ein sehr guter Jahrgang! Ich war besonders von dem Herrn angetan, der „Hallelujah“ von Leonard Cohen vortrug. Wow. Einen Abzug in der B-Note gebe ich dem Repertoire. Da darf gerne mal das ein oder andere ausgetauscht werden, vor allem in Teilen sehr schwer (mit-)singbare Stücke wie „Bad Guy“ von Billie Eilish und „Texas hold ‚em“ von Beyoncé.

Arbeitsplatz von Jan Wulf, der "lebenden Karaokemaschine"
Arbeitsplatz von Jan Wulf, der „lebenden Karaokemaschine“

Aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Grundsätzlich ist Orchesterkaraoke ein ganz großer Spaß und verlässlich dazu geeignet, die Stimmung zu heben.

Ich schließe den Schnelldurchlauf mit einem weihnachtlichen Konzertabend im Kleinen Saal der Elbphilharmonie ab: Unter der Überschrift „Nordic Christmas“ präsentierten Helene Blum (Gesang, Violine) und Harald Haugaard (Violine) mit Lena Jonsson (Violine), Kristine Elise Pedersen (Cello), Mattias Pérez (Gitarre) und Sune Rahbek (Schlagzeug) alte und moderne weihnachtliche Folkmusik aus dem Norden. Der Herkunft der überwiegenden Anzahl der oben genannten Künstlerinnen und Künstler geschuldet mit ausgewiesen dänischem Schwerpunkt. Musikalisch war das zwar top, aber von der Präsentation her mehr als nur ein bisschen drüber. Dazu passte auch das Programmblättchen: „Die Welt braucht Hoffnung. Hoffnung treibt alles an. Musik ist Hoffnung. Weihnachten ist Hoffnung. Gemeinschaft ist Hoffnung. Sich um das Licht und die Musik im Konzertsaal zu versammeln, während sich die Dunkelheit der Winternacht über das Land legt, zeigt uns, dass wir nicht allein sind und dass wir Hoffnung wollen.“. Naja. War schön, wird aber wohl keine regelmäßige Einrichtung. Was es theoretisch werden könnte, denn „Nordic Christmas“ ist eine Reihe, die im kommenden Jahr bereits in die 19. Auflage geht. Mit dem 18. Dezember 2025 steht der nächste Termin in der Elphi schon fest.

So! Jetzt kommen voraussichtlich noch zwei Nachträge und dann ist mein Konzert- und Kulturjahr 2024 Geschichte. Ob ich künftig wieder schaffen werde, regelmäßig und zeitnah darüber zu berichten?

In Concert: Solo Collective & Anne Müller im Nachtasyl

Eigentlich stand es umgekehrt in der Ankündigung (und auf den Tickets): Anne Müller & Solo Collective. Im ersten Teil des vorgestrigen Konzerts im Nachtasyl stand zunächst aber das Solo Collective im Vordergrund, das neben Anne Müller (Cello) aus Alex Stolze (Violine) und Sebastian Reynolds (Piano, Electronics) besteht.

Erst im zweiten Teil kam dann das, weswegen ich gekommen war: Anne Müller spielt ihr Debüt-Soloalbum „Heliopause“, allein und mit Unterstützung.

Apropos Unterstützung, um die Frage zu beantworten: Ich möchte ausdrücklich nichts gegen die Geige gesagt haben, aber „Solo? Repeat!“ gefällt mir solo am besten.

Obwohl es mir aufgrund einer aus Gründen ziemlich herausfordernden Woche etwas lang wurde, haben mir beide Teile gefallen und anders als bei einer gewissen Veranstaltung neulich in der Elbphilharmonie wird die Mehrzahl der anwesenden Zuhörer das unangekündigte Vorprogramm bei diesem Freitagabend-Gig im Nachtasyl wohl nicht als Bug, sondern als Feature empfunden haben.

Was das Nachtasyl angeht, ich denk das ja jedes Mal, wenn ich mal wieder dort war: Man sollte öfter hingehen. Allerspätestens zum DISSONAR Vol. 3 mit Sophie Hutchings und Tom Gatza am 21. Mai. Um nur ein Beispiel zu nennen.

Saša Stanišićs „Fallensteller“ bei cohen+dobernigg und eine Lecture Party im Nachtasyl

Ich hatte in der vergangenen Woche das Vergnügen, zwei höchst unterschiedlichen Lesungen genießen zu dürfen.

Nummer eins war die Buchpremiere von Saša Stanišićs „Fallensteller“ bei cohen+dobernigg. Das ist anders als „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ und „Vor dem Fest“ kein Roman, sondern ein Band mit Erzählungen. Ich bin kein ausgewiesener Fan von Kurzgeschichten und hatte daher nicht zwingend vor, das Buch zu kaufen. Aber nach dem Vortrag des Autors führte kein Weg mehr daran vorbei. Da liest nämlich eine im positiven Sinne hyperaktive und außerordentlich sympathische Rampensau, die große, sehr große Freude an der Interaktion hat. Das bringt Laune und macht Lust auf das Buch. (Die im „Literarischen Quartett“ mochten es übrigens auch. Alle.)

Nummer zwei war eine „Lecture Party“ zum Thema Popkultur mit Thomas Meinecke und Matthias Günther im Nachtasyl. Die (YouTube-)Reise führte über Holz und Stock, John Travolta, Blondie, den Sex Pistols, Hildegard Knef, David Bowie (Falco!), Billie Holiday, Johnny Cash und Udo Lindenberg bis hin zum wunderschönen Genre der Literal Videos, siehe unten. Nach gut 1 3/4 Stunden war leider Schluss, einer nachfolgenden Veranstaltung wegen. Schade – das hätte gut und gerne noch ein Stündchen länger dauern können!

In Concert: Douglas Dare im Nachtasyl

„Mindestens so berührend wie auf Platte“ – so bewarb der Newsletter Woche für Woche das inzwischen ausverkaufte Nils Frahm-Konzert am kommenden Sonntag auf Kampnagel. Hier irrte Kampnagel: Nils Frahm live schlägt Aufgezeichnetes, sei es nun Download, Silberscheibe oder Vinyl. Gleiches gilt, das weiß ich seit eben, auch für Douglas Dare. Das war nicht nur von den Tasten, der Stimme und den Arrangements her ganz wunderbar, ich bin auch schon lange nicht mehr so fasziniert von einem Drummer gewesen. Schöner Sound, großes Kino.

Wobei ich aber grundsätzlich nichts gegen Tonträger jeglicher Art gesagt haben will. Besonders nicht gegen die von Erased Tapes.

Tomaten zahlen keinen Eintritt!
Tomaten zahlen keinen Eintritt!

Ein dickes Kompliment übrigens noch dem Herrn an der Abendkasse des Nachtasyl, denn er zuckte mit keiner Miene, als ich vorhin mit einer Tomatenpflanze unter dem Arm Einlass begehrte.