So long, Mr. Cohen

Als Kind konnte ich meinen Namen nicht ausstehen. Es gab diverse Petras, Claudias und Kathrins in meiner Jahrgangsstufe, man hieß Beate, Christiane oder Nicole. Susannes waren dünner gesät. Tatsächlich blieb ich bis zur Oberstufe die einzige mit diesem Namen in meiner Umgebung.

Ich fühlte mich sowieso schon als Außenseiterin. Durch einen Wachstumsschub in der Grundschule überragte ich die Mehrheit meiner Klassenkameraden & -innen um Haupteslänge und wurde daher stets für älter gehalten, als ich war. Manch einer mutmaßte gar als Schlussfolgerung, ich sei „hängengeblieben“ – dabei gehörte ich zu den Jüngsten der Klasse.

Es ist bei alldem nicht hilfreich, den Namen Susanne zu tragen, wenn man zum Lispeln neigt. Und dann kam auch noch Otto.

Ich war also mit diesem Schicksal äußerst unzufrieden und hätte mir einen zweiten Vornamen gewünscht. Um die Wahl zu haben.

Das änderte sich, als ich zum ersten Mal „Suzanne“ von Leonard Cohen im Radio hörte. Ein Lied mit meinem Namen! Ich war fasziniert und schlagartig versöhnt und meine Zuneigung zu dem Song und zum Schöpfer desselben wuchs in dem Maße, wie ich nach und nach lernte, den Text zu verstehen.

So long, Mr. Cohen, und vielen Dank. Insbesondere für „Suzanne“.

Glück auf

Als ich Ende Mai, am Tag nach der „Nuit sous la Pyramide“ mit Nils Frahm und Ólafur Arnalds, im Museumsshop des Musée du Louvre stand und spontan noch ein zweites Exemplar des „JR au Louvre“-Plakats kaufte, dachte ich bei mir: Das schenkst du jemandem, der gerne dabei gewesen wäre.

Zum Beispiel dem Hannes.

Einem, mit dem es nicht nur musikalische Überschneidungen gab – dass wir uns gelegentlich auch persönlich kennenlernen würden, schien mir daher nur eine Frage der Zeit zu sein.

Das überzählige Poster liegt immer noch bei mir. Weil es mir komisch vorkam, übergriffig gar, jemandem etwas zu schicken, der mir bisher dann doch „nur“ aus Twitter-Timeline und Instagram-Feed vertraut war. Den ich „eigentlich gar nicht richtig“ kannte.

Nicht, dass es einen Unterschied gemacht hätte, aber: wie dumm von mir.

Glück auf, Johannes Korten.

Starman

Als bekannt wurde, dass David Bowie im Sommer 2002 anlässlich der Albumveröffentlichung von „Heathen“ nur ein einziges Konzert in Deutschland geben würde, im knapp 2.500 Personen fassenden Kölner E-Werk, war klar, dass es Normalsterblichen nur unter sehr günstigen Umständen gelingen würde, an Karten heranzukommen.

Das traf mich nicht besonders, stand ich doch zu diesem Zeitpunkt sowohl der Musik als auch der Person eher gleichgültig gegenüber. Aber da gab es diesen einen glühenden Bowie-Fan in meiner unmittelbaren Umgebung und so versuchten wir unser Glück bei einem WDR 2-Gewinnspiel – zu unserer Verblüffung mit Erfolg.

Das Event selbst erwies sich zunächst als riesiges Medienspektakel. Alles, was in der Musikbranche Rang und Namen zu haben glaubte sowie zahlreiche sonstige Prominenz gab sich die Ehre und die wenigen Optimisten, die sich mit „Suche Tickets“-Schildern am Rande aufgestellt hatten, ernteten nicht mehr als mildlächelndes Mitleid.

Schließlich betrat David Bowie zu den Klängen von „Life on Mars“ die Bühne und hatte nach wenigen Takten meine volle Aufmerksamkeit. Dass wir sehr weit hinten in der Halle standen, spielte dabei keine Rolle. Es folgte ein grandioses Konzert und als alle dachten, das war’s jetzt, meinte Mr. Bowie, dass die Türen verschlossen seien und deswegen keiner den Saal verlassen könne, zückte ein Saxophon und spielte „Low“ als Zugabe. Das komplette Album. Mit offenem Mund stand ich da und wusste: Das passiert so bestimmt kein zweites Mal.

Ich hatte nie zuvor einen Liveauftritt mit derartiger Wirkung erlebt. Menschen zwischen 17 und 70, Männlein wie Weiblein (und alles dazwischen), Arrivierte wie Alternative verließen nach Konzertende einträchtig und mit strahlenden Augen das Gelände. Ich kaufte im Anschluss zwei Bowie-Alben, sah mir „Der Mann, der vom Himmel fiel“ an, besuchte später noch ein weiteres Konzert und holte nebenbei ein ganzes Kapitel Musikgeschichte nach. In dieser Form hat bis heute niemand geschafft, das zu übertreffen.

„Can you hear me, Major Tom?“

Gute Reise, Mr. Bowie.