In Concert: „Die Frau, nach der man sich sehnt“ mit Pascal Schumacher und den United Instruments of Lucilin in der Elbphilharmonie

Ich habe, das ist dem einen oder der anderen vielleicht nicht entgangen, eine besondere Schwäche für Stummfilmkonzerte. Meine besondere Schwäche für Pascal Schumacher hingegen ist weniger bekannt und hat ziemlich viel mit einem sehr aufschlussreichen Abend im Rahmen des Elbjazz-Festivals vor drei Jahren zu tun. Die Kombination von beidem enthält noch einen besonderen Twist, den hier zu erklären allerdings viel zu kompliziert wäre. Ganz abgesehen davon, dass einige der dazugehörigen Details inzwischen sattsam verjährt sind.

Wir wollen uns also weitgehend auf den heutigen Filmabend beschränken. Pascal Schumacher kann Jazz, das wusste ich schon. Pascal Schumacher kann aber auch (Stumm-)Filmmusiken komponieren und ich finde, er sollte das häufiger tun. Und dann bitte auch höchstpersönlich live aufführen. Letzteres sehr gerne wieder mit den United Instruments of Lucilin und vorzugsweise in Hamburg!

Schnelldurchlauf

Mittwoch

Manchmal reicht ein verschobener Konzerttermin, um eine kulturreiche in eine Kulturstresswoche zu verwandeln. In diesem Fall war es das Konzert von JaKönigJa im Kleinen Saal der Elbphilharmonie. Ich hätte den Auftritt dennoch auf keinen Fall missen mögen, gerade auch wegen der Verstärkung durch Mitglieder der Jungen Symphoniker (Streicher, Holz- und Blechbläser). Das Zusammenspiel war bisweilen zwar nicht perfekt abgestimmt und auch in puncto Sound und Abmischung wollten die klassischen nicht ganz zu den weniger klassischen Instrumenten passen. Dem besonderen Reiz der Kombination tat das keinen Abbruch.

Donnerstag

Anders als die Elbphilharmonie kann die Laeiszhalle nicht mit klimatisierten Räumen aufwarten. Bei den Temperaturen der letzten Maitage geriet das Stummfilmkonzert der Hamburger Symphoniker unter der Leitung von Stefanos Tsialis zur Herausforderung – am Ende der Veranstaltung war nicht nur der Dirigent gut durch. Sei’s drum, Charlie Chaplin („Der Zirkus“, „Die feinen Leute“) geht einfach immer und unter allen Bedingungen.

Freitag

Irgendwie war es abzusehen: Seit Anfang der Woche waren Gewitter und Regenfälle bereits angekündigt, aber alles Unwetter beschrieb bis einschließlich Donnerstag einen eleganten Bogen um die Hansestadt. Punktgenau, gewissermaßen zur besten Sendezeit am ersten Tag des Elbjazz-Festivals, öffneten sich schließlich die Schleusen über Blohm & Voss und spülten unter anderem den Auftritt des Michael Wollny Trio über Bord. Zuvor hatte ich immerhin schon die von Kinga Głyk und dem Omer Klein Trio bewundern dürfen. Mein Glück im Unglück: In einer der kurzen Regenlücken zwischen 20 und 22 Uhr sprintete ich zum Alten Elbtunnel, um dann an den Landungsbrücken einem Bus der Linie 111 quasi in die Arme zu laufen, der schnellsten (und trockensten!) Verbindung von dort zur Elbphilharmonie. Dadurch war ich zwar eine gute Stunde zu früh, hatte dafür aber das feste Plaza-Dach über dem Kopf, was den Unterhaltungswert der letzten Gewitterausläufer erheblich steigerte.

Meine Reservierung hatte ich ursprünglich für „Michael Wollny & Friends“ (Samstag, 23 Uhr) getätigt, dann aber bei der Ticketausgabe versehentlich eine Karte für „Michael Wollny & Konstantin Gropper“ (Freitag, 23 Uhr) erhalten. Einerseits ärgerlich, verpasste ich doch dadurch den gemeinsamen Auftritt Wollnys mit Vincent Peirani und Émile Parisien. Andererseits stehen Termine des Duos Wollny/Gropper noch seltener auf den Spielplänen. Die beiden präsentierten ihre ganz eigene Form eines Liederabends, inspiriert durch Schuberts „Winterreise“, und kombinierten Stücke aus diesem Zyklus mit Liedern und Songs u. a. von Richard Strauss, Madonna, Pulp und den Flaming Lips. Ungestraft, möchte ich hiermit betonen. Ein Ereignis.

Samstag

Als ein ähnlich magisches Erlebnis entpuppte sich die Darbietung von Kat Frankie tags darauf in der Hauptkirche St. Katharinen. Frankie trat zunächst solo mit Gitarre an, um zum zweiten Teil ein fünfköpfiges Vokalensemble mit auf die Bühne zu bitten. Wer die Akustik des Gebäudes kennt, bekommt bei der bloßen Beschreibung Gänsehaut. Phantastisch.

Gar nicht so einfach, danach auf GoGo Penguin umzuschalten. Aber da ich es sehr rechtzeitig zur Bühne am Helgen geschafft hatte, konnte ich den Auftritt, von Schiffsgetute und Feuerwerk in der unmittelbaren Nachbarschaft eingeläutet, aus der ersten Reihe verfolgen. Das half.

Dann wurde es auch schon wieder Zeit für das leichte Vollzeug nebst Südwester. Den lege ich den Veranstaltern hiermit wärmstens als potenziellen Merchandising-Artikel ans Herz – ich sag nur: Festivalkonzerte und Festivalbesucher mit Schirmen… nun ja. Ich beendete mein Elbjazz-Programm mit einem Stündchen bei Kamasi Washington und einer kurzen Stippvisite bei der Aftershowparty in der Schiffbauhalle.

Sonntag

Erlend Øye auf Kampnagel, akustisch, zusammen mit italienischen und chilenischen Musikern – eine solch tiefenentspannte Fröhlichkeit habe ich lange nicht auf einer Bühne gesehen. Oder überhaupt sonst wo. Es war fast unmöglich, sich dem zu entziehen und so ließ sich die K6 mehrheitlich anstecken.

Und gerade als ich dachte, ich hätte jetzt ein paar Tage Pause bis Max Richter kamen mir die „Hamburg Sounds“ dazwischen. Stay tuned!

Le Cinéma Abstrait mit Raphaël Marionneau im Meßmer Momentum

Aufführungen von „le cinéma abstrait“ in Hamburg sind leider selten. So ganz verstehen kann ich das nicht; meiner Meinung nach ist das mit das Beste, was Soundpilot Raphaël Marionneau in seinem musikalischen Portfolio hat.

Raphaël hat mittlerweile sechs Stummfilme neu vertont: „Berlin – Die Sinfonie der Großstadt“ (1927), „Das Cabinet des Dr. Caligari“ (1920), „Menschen am Sonntag“ (1930), „Metropolis“ (1927), „Der müde Tod“ (1921) und „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ (1922). „Neu vertont“ bedeutet hier: In wochenlanger, mühsamer Kleinarbeit sucht er passende Musik zu jeder einzelnen Szene heraus und legt diese bei Aufführungen in Kinos und auf Festivals live auf.

Da kommt bisweilen eine Mischung heraus, die auf den ersten Blick zusammenführt, was nicht zusammengehört. In „Berlin – Sinfonie der Großstadt“ geben sich beispielsweise A Winged Victory for the Sullen, Philip Glass, Ulrich Schnauss, die Chemical Brothers, Pantha du Prince und Red Nichols die Klinke in die Hand. Aber das passt tatsächlich (alles!), und erneuert auf diese Weise den Blick auf vermeintlich überbekannte, weil schon x-mal gesehene Filmklassiker.

„le cinéma abstrait“ wurde mittlerweile unter anderem in Berlin, Madrid, Paris, Brüssel, New York und auf Mallorca präsentiert. In Hamburg aber sind die Termine so sparsam gesät, dass mir immer noch drei Filme fehlen.

Ob es daran liegt, dass sprichwortgemäß der Prophet im eigenen Lande nichts gilt? Oder gar daran, dass Hamburg eventuell doch ein winziges bisschen weniger Filmstadt ist, als gerne behauptet wird?

Mit mangelndem Publikumsinteresse an neu bzw. live vertonten Stummfilmen kann man es jedenfalls nicht begründen. Die Hamburger Symphoniker, Stephan Graf von Bothmer und bis letztes Jahr auch das NDR Elbphilharmonie Orchester füllen damit regelmäßig ganze Säle.

In Concert: „Stan & Olli“ mit Stephan Graf von Bothmer in der Laeiszhalle

Durch die Internationalen Bonner Stummfilmtage entdeckte ich vor Jahren meine Liebe zum Stummfilmkonzert. Um auf die Idee zu kommen, dieser Leidenschaft auch in Hamburg weiter zu frönen, musste ich erst einmal nach Berlin fahren. Klingt komisch, war aber so und ist wieder eine andere Geschichte. Kurzum: Die Filmkonzerte des NDR Sinfonieorchesters und der Hamburger Symphoniker sind seither fester Bestandteil meines Konzertkalenders.

Bei Stephan Graf von Bothmer ist ein Stummfilmkonzert nicht nur das, sondern besteht aus einem (Ostfriesen-)Witz, Werbung („Kupferberg Gold“, von 1912), Trailern (Eigenwerbung, aber hey!), einem Musikstück ohne Film und dann kommt der Film, bzw. in diesem Falle: die Filme (4x „Stan & Olli“). Man lernt so nebenher einiges über die Stummfilmzeit, wie damals Filme vorgeführt wurden und kommt darüber hinaus ganz unverhofft in den Genuss, dem Pianisten dabei zuzuschauen, wie er Rachmaninow mit mit Bondage-Tape – welches übrigens aus Vinyl besteht, hättet ihr’s gewusst? – verbundenen Augen zu spielen versucht. Hat die Laeiszhalle wohl auch noch nicht gesehen.

Unterm Strich: großes Kino! Den „Nosferatu“ im April überleg ich mir glatt noch. Obwohl da meine Lieblingsversion eigentlich schon lange feststeht.

Eins noch: Stephan Graf von Bothmer macht übrigens auch Fußballkonzerte. Das ist „Public Viewing“ ohne Ton, statt dessen filmmusikalische Klavierimprovisation. Das möchte er gerne auch in Hamburg machen und sucht dafür einen Raum. Wer was weiß: Er freut sich! Und ich mich auch, das will ich nämlich sehen/hören.

In Concert: „Panzerkreuzer Potemkin“ mit dem NDR Sinfonieorchester auf Kampnagel

Was ich ja fast unterschlagen hätte: das gestrige (Stumm-)Filmkonzert „Panzerkreuzer Potemkin“ (1925) auf Kampnagel mit dem NDR Sinfonieorchester. Wie immer ganz großes Kino und zudem ein interessanter Kontrast zum spanischen „Blancanieves“ (2012) mit den Hamburger Symphonikern zwei Tage zuvor.

Als Nächstes ist wieder die Laeiszhalle dran! Und dann ist es bitte wieder ausverkauft – wo kommen wir denn sonst hin, das geht doch so nicht.

In Concert: „Lichter der Großstadt“ mit den Hamburger Symphonikern in der Laeiszhalle

Sagte ich bereits, wie großartig diese (Stumm-)Filmkonzerte sind? Das gilt nicht nur für die des NDR Sinfonieorchesters auf Kampnagel, sondern auch für die Reihe der Hamburger Symphoniker in der Laeiszhalle.

Nächste Chance: Dezember 2015 („Blancanieves“) und Februar 2016 („Goldrausch“)!

In Concert: „The Artist“ mit dem NDR Sinfonieorchester auf Kampnagel

„With Pleasure!“

Ich habe nur eine mögliche Erklärung dafür, dass ich gestern erst (!) kapiert habe (!!), warum der Mann den gesamten Film zuvor über partout kein einziges Wort sprechen will: In der deutschen Synchronisation hört man es nicht. Das ist doch so, oder? Ansonsten dürft ihr mich ab heute ungestraft als blindes Huhn beschimpfen. Bzw. natürlich als taube Nuss.

Aber zurück zum gestrigen Abend und somit zur Filmkonzertreihe des NDR Sinfonieorchesters auf Kampnagel: Das ist absolut genau mein Gift und die Jahresdosis dürfte gerne höher sein.