In Concert: Hundreds im Gruenspan

Ja, doch: Atmosphäre können sie. Projektionen, Lichteinsatz und Nebeleffekte waren perfekt auf die Musik abgestimmt, der Sound war makellos, und ja, ich mag den Hundreds-Sound. Diese Frau! Diese Stimme! Es ist schon ein Erlebnis, die Band live zu sehen und zu hören.

Was mich störte: das Übermaß an Perfektion, das aus den allermeisten der Songs taktgenau abgezirkelte Kunstwerke macht. So etwas lässt wenig Raum für Abweichungen und daher sogar Teile dessen vorproduziert klingen, was tatsächlich live auf der Bühne passierte.

Vielleicht bleibt es deswegen bei zwei Gruenspan-Konzerten. Aber vielleicht denke ich auch beim nächsten Mal wieder: „Das darfst Du nicht verpassen.“

In Concert: Wantu & The srie 4’s im Der Clochard

Als ich gestern Abend gegen 22:40 Uhr mit den Worten „famous first times“ meine Bier trinkende Anwesenheit im Clochard meldete, sorgte das unter meinen (Facebook-)Freunden für einige Überraschung – kaum verwunderlich, wenn man einen Blick auf die Kategorie „Musik & Konzerte“ wirft. Aber wenn man den Leadsänger und Gitarristen der aufspielenden Bonner Band schon seit über 16 Jahren kennt, den Bassisten beinahe ebenso lange und mit zwei Dritteln der Band schon im Rahmen des „St. Pauli Lauf gegen Rechts“ um die Alster getrabt ist, verpflichtet das zum Konzertbesuch. Da kann man nicht einfach zum parallel stattfindenden Überjazz Festival auf Kampnagel gehen: The Cinematic Orchestra! Ed Motta! GoGo Penguin! Weh & ach! Aber hilft ja nix. Nächstes Jahr.

Zurück zur gestrigen Örtlichkeit. Der Kulturschock beim Betreten des Etablissements hielt sich in Grenzen, waren doch sowohl meine Begleitung – sonst eher im Bereich Singer/Songwriter mit Schwerpunkt Island unterwegs – als auch ich entsprechend vorgewarnt worden. Dann trinkt man das Bier halt aus Flaschen, schaut möglichst nicht so genau auf den Fußboden, meidet die sanitären Anlagen und lüftet über Nacht die Klamotten auf dem Balkon aus. Was macht man nicht alles für alte Freunde. Und so viel schlimmer als das alte Molotow ist das Clochard nun auch wieder nicht.

Wir waren nicht die einzigen Neulinge vor Ort. Mindestens zwei Bandmitglieder sind sowohl eingefleischte St. Pauli-Fans als auch fleißige Twitterer und erfüllten sich zum 25. Bandjubiläum mit dem Auftritt an der Reeperbahn einen langgehegten Traum. Wir trafen daher auch auf Teile dessen, was ich „die St. Pauli-Abteilung meiner Twitter-Timeline“ nenne, und zusammen mit den üblichen Verdächtigen und sonstigen Kiezgängern ergab das ein herrlich buntes Publikum.

Wantu & The srie 4’s spielen Punkrock, und zwar die knackig-simple, kurzweilige Spaßversion. Das löste mehrheitlich wohlwollendes rhythmisches Kopfnicken aus und unter den Eingefleischten durchaus auch mehr als das. Insbesondere der Herr, der bei einem Lemmy Kilmister-Look-alike-Wettbewerb gute Chancen auf vordere Plätze gehabt hätte, reagierte enthusiastisch – dies umso mehr, als die Band ihm ein Motörhead-Cover widmete. Kurzum: Das war sehr, sehr lustig! Wir hatten Spaß.

Apropos St. Pauli: Falls dieses Mal aus dem „Das müssen wir ändern!“ wirklich Ernst werden sollte, berichte ich nächsten Sonntag an dieser Stelle von meinem ersten Besuch eines Heimspiels am Millerntor. Bleiben Sie dran!

In Concert: James Rhodes auf Kampnagel

Der heutige Abend auf Kampnagel wurde allenthalben als „musikalische Lesung“ angekündigt und da die Autobiographie von James Rhodes in diesem Frühjahr auf Deutsch erschienen ist, erwartete ich eine Veranstaltung im Stile einer klassischen Buchvorstellung mit ein wenig musikalischer Garnitur.

James Rhodes hat einiges hinter sich – als Kind missbraucht worden, Depressionen, Drogen, Klinikaufenthalte, das ganze Programm – und musste vor Gericht dafür streiten, das Buch mit dem Titel „Der Klang der Wut“ in dieser Form überhaupt veröffentlichen zu dürfen. Seine Ex-Frau war der Meinung, das sei dem gemeinsamen Sohn nicht zuzumuten.

Ich stellte mich also auf schwere Kost ein, die dann komplett ausblieb: James Rhodes hat über Musik gesprochen! Fast ausschließlich! Über Chopin, Beethoven, Rachmaninoff und die Stücke, die er gespielt hat. Sprühend, ansteckend, angetan mit einem Sweatshirt mit der Aufschrift „BACH“ und in der Körperhaltung eines begeisterten Kindes. Mit einem verschmitzt-schüchternen Lächeln, welches mich so sehr an einen Herrn erinnerte, in den ich mich einst gar furchtbar verliebte, dass ich ein paar Mal heftig blinzeln musste, um mich daran zu erinnern, dass den beiden (optisch) ansonsten nichts gemein ist.

Das Manuskript
Das Manuskript

Sprechen müsse man über klassische Musik, sagt James Rhodes. Nicht nur abliefern und vom Publikum verlangen, dabei auch ja ganz still und andächtig zu sein. Das dockt bei mir 100%ig an. Klavier verläuft bei mir nämlich in Schüben, die nicht selten dadurch ausgelöst werden, dass ich mich jemandem über Musik unterhalte, der mehr davon weiß als ich.

Und Klavier spielen kann der Mann auch.

In Concert: Angel Olsen auf Kampnagel

Angel Olsen entdeckte ich durch ihr aktuelles Album, „MY WOMAN“. Das lief bei Rough Trade East im September als Album des Monats, daher betrachte ich das gestrige Konzert in der kmh auf Kampnagel auch als nachträgliches London-Souvenir.

Musikalisch war das sehr ordentlich, aber besondere Live-Momente gab es nicht. Dazu kam, dass mir das betont lässige Gehabe der Dame auf der Bühne nicht sonderlich sympathisch war. Dennoch wage ich die Prognose, dass der Saal bei ihrem nächsten Auftritt in Hamburg um einiges größer und das Ticket entsprechend teurer sein wird.

Vielleicht bin ich dann auch wieder dabei. Das entscheide ich nach Tagesform.

If I were a rich girl

Nachdem die Firma Steinway & Sons Hamburg mir unlängst beim „Hamburger Pianosommer“ per Gewinnspielteilnahme erfolgreich die E-Mail-Adresse entlockte, folgte ich heute einer Veranstaltungseinladung an den Rondenbarg – aus reiner Neugier, wie ich gerne zugebe.

Abgesehen davon, dass der Abend musikalisch ganz wundervoll war – es spielten Hilmar Jacobs, Karsten Flohr und Bernd Klosterfreund als J-F-K „The Autumn Leaves“ – fühlte ich mich schon durch den Einladungstext gut unterhalten, war in diesem doch als Unkostenbeitrag die stolze Zahl von 15.000,00 (statt 15,00) Euro zu lesen. Das habe, so die sehr nette Dame bei der telefonischen Anmeldung, zu nicht wenigen amüsierten Reaktionen geführt. Erst nach Beenden des Gesprächs fiel mir auf, dass mein launig gemeinter Satz „Ich wollte den Flügel ja nicht kaufen!“ exakt an dieser Stelle eventuell etwas deplatziert war.

Wobei man, auf die Flügel bezogen, mit der Summe bei Steinway & Sons nicht sonderlich weit kommt – hier bitte ein mattes Ächzen einsetzen.

Und noch einmal: „If I were a rich girl…“

In Concert: Erased Tapes Records im resonanzraum

Ich bin kein Fan des Reeperbahn Festivals und werde es wohl auch nicht, denn dieses Prinzip des Location-Hoppings auf gut Glück, immer mit der Gefahr, gerade das nicht sehen/hören zu können, was man unbedingt sehen/hören wollte, ist mir zu stressig. Das Elbjazz funktioniert zwar ähnlich, aber da habe ich bisher noch immer unverhoffte Freude an parallel laufenden Acts gefunden. Was an der Reeperbahn für mich schwieriger ist, der dort präsentierten Musikstile wegen.

Jedenfalls, ich wäre ohne den Labelabend „Reeperbahn Festival im resonanzraum mit Erased Tapes“ wohl nicht auf die Idee gekommen, mir ein Tagesticket zu kaufen. Aber IMMIX ENSEMBLE & Vessel, Masayoshi Fujita, Douglas Dare (mit Fabian Prynn und EERA) und Rival Consoles, moderiert von Labelgründer Robert Raths, auf einen Schlag, und quasi bis vor die eigene Haustür (OK, rund 6km Luftlinie) geliefert? Ja, bitte!

Während Immix (ohne Ensemble) & Vessel mich als Duo nicht überzeugen konnten, war ich sehr begeistert von den Auftritten von Masayoshi Fujita und Rival Consoles, und selbst wenn man mit Douglas Dare mal musikalisch nicht auf einer Wellenlänge liegt, so kann zumindest immer noch das extrovertierte Spiel von Schlagzeuger und Perkussionist Fabian Prynn bewundert werden.

Was mich dabei zunehmend fasziniert ist der Blick hinter die Kulissen, der sich bei solchen Abenden in kleinen Räumen auftut. Nach drei Veranstaltungen in London und der gestern Abend im Medienbunker bekommen die Menschen hinter dem Geschehen ein Gesicht, das meinen Eindruck aus Newslettern, Instagram-Schüssen, Tweets und Facebook-Postings komplettiert – und dankenswerterweise nicht widerlegt.

Allerdings, ab jetzt sollte ich meine Neugier vielleicht bezähmen. Am Ende schwindet noch die Magie und das wäre außerordentlich schade.

Abschließend nochmals ein Lob an den resonanzraum, der erneut unter Beweis gestellt hat, dass zarte Vibraphontöne dort ebenso gut aufgehoben sind wie deutlich weniger zarte elektronische Beats!

In Concert: „Hamburger Pianosommer“ in der Staatsoper Hamburg

Was passiert, wenn Joja Wendt, Axel Zwingenberger, Martin Tingvall und Sebastian Knauer zum „Hamburger Pianosommer“ in die Staatsoper Hamburg einladen?

Vier grandiose Mini-Sets unterschiedlicher Stilrichtungen, diverse Duette sowie musikalische Staffelläufe, von denen einer in einem achthändigen Boogie Woogie nach Rachmaninoff auf zwei Konzertflügeln mündete. Sowas glaubt man ja auch erst, wenn man es sieht und hört.

Das war eine äußerst gelungene, hochklassige und sehr unterhaltsame Werbeveranstaltung für Steinway & Sons! Wobei das Product Placement, nun ja, die Viecher stehen eh überall in der Welt immer dann auf den Bühnen, wenn es darauf ankommt. Von daher: passt schon, gerne wieder!

Theater, Theater: The Greatest Show on Earth auf Kampnagel

„The Greatest Show on Earth“ beim Sommerfestival auf Kampnagel – der ultimative Beweis dafür, dass man mir sogar einen singenden Scheißhaufen verkaufen kann, wenn die Musik dazu gut oder mindestens gut inszeniert ist. Ich amüsierte mich köstlich, trotz einiger Abzüge in der B-Note.

Apropos, ich hätte sehr gerne auch Socalled gesehen/gehört. Die „leichte Verschiebung“ des Auftritts heute Abend kam da wohl nicht nur mir ein wenig ungelegen.

In Concert: HafenCity Open-Air

Ich packte meinen wasserdichten Rucksack und hinein kam: ein Schwamm, ein wetterfestes Sitzkissen, eine Fleecejacke, eine Regenhose, eine Regenjacke und ein Südwester*). Preisfrage: welches Konzert? Richtig, das HafenCity Open-Air mit Sol Gabetta, dem NDR Elbphilharmonie Orchester und Krzysztof Urbánski!

Optisch, künstlerisch & organisatorisch war das heute Abend ein Hochgenuss. Von der Akustik her war’s dagegen leider etwas schwierig – zumindest von meinem Platz aus, ganz am linken Rand der Tribüne. Denn während Möwengekreisch und dezente Hafengeräusche sehr gut zu Bild & Ton passten, trieb mir die ungerührt auch während der leisen Töne weiter schnatternde Dame am benachbarten Getränkestand, garniert von Münzgeschepper und lautem Türenschlagen, zwischenzeitlich ordentlich den Puls in die Höhe. Aber sei’s drum, ich werde mir den Schostakowitsch einfach nachträglich in Ruhe ein zweites Mal bei ARTE Concert anhören. Im Anschluß, nämlich bei Dvořáks neunter Sinfonie, traten die Nebengeräusche dankenswerterweise komplett in den Hintergrund.

Ach ja, das mit den hervorragenden Beziehungen zu den Wettergöttern üben wir dann im nächsten Jahr nochmal, ne, NDR?


*) Der Südwester hat seine Konzerttauglichkeit erneut eindrucksvoll unter Beweis gestellt: Wind aus, Regen aus; Ohren frei!

In Concert: Nils Frahm & Company im Barbican Centre

„Yes, there will be some surprises. But I can’t talk about it because she won’t be there!“

Als feststand, daß ich am fraglichen Wochenende in London sein würde, war „Possibly Colliding, Session One: Nils Frahm & Company“ bereits ausverkauft und als ich dann auf der Launch Party für „Sheets Zwei“ vorsichtig anfragte, war die Gästeliste lange geschlossen. „Vielleicht über Facebook…?“ Je nun, Versuch macht klug, und tatsächlich: Die Ticketfee hieß Jack und ich weiß jetzt, was man unter „Face value“ versteht.

Ich werde nämlichem Jack noch lange dankbar sein, denn was da gestern abend in der Hall des Barbican Centre passierte, kann man noch am ehesten mit dem Ausdruck „not to be missed“ umschreiben. Über drei Stunden und mit Unterstützung von Anne Müller, Nonkeen (mit Andrea Belfi), dem von Kieran Brunt zusammengestellten und geleiteten Vokalensemble Shards und stargaze gab Nils Frahm alles – „a most ambitious concert“ indeed.

Es wird, so war es zuvor angekündigt, das letzte Konzert auf unbestimmte Zeit gewesen sein. Das kommt mir zugegebenermaßen nicht ganz ungelegen, denn nach Paris und London muß auch ich jetzt erstmal tief Luft holen.

Dennoch, die Frage „Wie ist das noch zu toppen?“ stellt sich nicht. Nils Frahm gehört zu jenen, bei denen man sicher sein kann: Es wird ihm etwas einfallen.