Im Rückstand

Um den Faden nicht komplett zu verlieren, hilft jetzt nur noch Kompaktverbloggen. Es folgen zweimal Theater und zweimal Musik.

„Antigone“ mit Bodo Wartke und Melanie Haupt im Schmidts Tivoli

Darauf war ich sehr gespannt: Wie gehen ein hochdramatisch klassisches Werk und Klavierkabarett zusammen? Zwar hatte Bodo Wartke zuvor schon mit „König Ödipus“ unter Beweis gestellt, dass man Sophokles auch humorvoll präsentieren kann, ohne respektlos zu wirken. Aber „Antigone“ ist da noch einmal eine andere Liga. Abgesehen davon wird einem bei näherer Betrachtung des Stücks mehr und mehr bewusst, wie geradezu unangenehm aktuell dieser Stoff eigentlich ist. So gab es nicht wenige Momente während der öffentlichen Generalprobe (bzw. inoffiziellen Premiere), in denen im Raum gebannte Stille herrschte und einem das Lachen im Halse stecken blieb. Nachdem alle Tode gestorben sind, sitzen Bodo Wartke und Melanie Haupt auf der Bühne, reflektieren das Geschehene und schaffen das nahezu Unmögliche: die Transformation von Tragik und Moral zu einem mitreißend gesungenen Plädoyer für die Notwendigkeit des zivilen Ungehorsams. Auch das kann Unterhaltung. Hut ab!

„Junk“ im Deutschen Schauspielhaus

Ganz anders das Haus, der Ansatz, der Aufwand und naturgemäß das Publikum, aber ebenso aktuelles Thema: Ayad Akhtars Stück „Junk“ erzählt die Geschichte vom Aufstieg und Fall eines Investmentbankers, der das Finanzsystem auf den Kopf stellt, indem er aus Schulden Geld macht. Dass bei seinen Hochrisikooperationen regelrechte Blasen entstehen und real existierende Werte, Unternehmen und Arbeitsplätze zerstört werden, nimmt Robert Merkin billigend in Kauf. Die komplexen Abläufe hinter dem Geschäft mit den Ramschanleihen („Junk“) so zu erklären, dass man als Laie zumindest ansatzweise den (Aber-)Witz versteht, ist eine Schwierigkeit des Stücks. Text wie Regie meistern das gut. Der Anfang ist etwas zäh, aber dann bildet sich der Spannungsbogen, nicht zuletzt durch das laufend gesteigerte Tempo, und die letzten Minuten lassen erahnen, warum in diversen Kritiken das Wort „rasant“ verwendet wird. Obwohl nach wahren Begebenheiten erzählt, kamen mir einige Figuren überstilisiert vor. Ich fürchte allerdings, dass es sich dabei um reines Wunschdenken handelt – die Wahrscheinlichkeit, dass sich das alles genau so oder wenigstens sehr ähnlich abgespielt hat, ist vermutlich erschreckend hoch. Wie dem auch sei, „Junk“ hat mir gut gefallen. Auch schauspielerisch und vom Bühnenbild her.

Federico Albanese in der Elbphilharmonie

Es hätte ein perfekter Abend werden können, denn Federico Albaneses filigrane Mischung aus Elektronik, Klavier und Streichern und die sensible Akustik des Großen Saals der Elbphilharmonie sind quasi füreinander geschaffen.

Doch leider spielten weite Teile des Publikums nicht mit. Zu wenige ernsthaft Interessierte und zu viele zum Teil mit Bussen aus dem Umland herbei gekarrte Menschen zumeist fortgeschrittenen Alters saßen in den Rängen. Vermutlich hegten nicht wenige davon die Erwartung eines „schönen“ Konzerts mit einem italienischen Pianisten in dem sagenumwobenen Haus an der Elbe. Und so kam es, wie es kommen musste: Geraschel, Geflüster, Geklapper, aus dem Saal Gerenne; von den durch die gefühlt sechs bis acht im Raum befindlichen offenen Tuberkulosen komplett verhusteten und verröchelten Passagen fange ich gar nicht erst an, da riskiere ich am Ende noch einen Shitstorm. Ein Genuss war das jedenfalls nicht. Schade.

Nils Frahm in der Elbphilharmonie

Dass ich dem allerersten Auftritt von Nils Frahm in der Elbphilharmonie nur ein Viertel eines Blogbeitrags widme, möge mir bitte verziehen werden. Es war schon mein zweites Konzert der „All Melody“-Tour und die seinerzeit geäußerte Hoffnung, dass zwischen Januar und April ein weiteres Level erreicht werden könnte, erfüllte sich vollends. Hatte ich in Köln noch ungefähr 30% des Konzerts in den Bauch atmen müssen, so waren es jetzt 70%. Nur die aktuelle Liveversion von „Sunson“ ist mir (noch?) etwas zu hektisch, da wäre weniger eventuell mehr. Der gegenüber der Bühne leicht erhöhte Blick aus 13 I bot ein perfektes Sichtfeld, der Platz ist absolut wasserflaschensicher und entpuppte sich zudem als frei von störenden Nebengeräuschen. Wobei ich das begeisterte Mitschnarren der ortsansässigen Orgelpfeifen nicht mitzähle. Da hatte die Orgel im Kölner Pendant noch ganz andere Töne produziert. Apropos Orgel, über den „Panflötengenerator“ werde ich wohl noch eine Weile schmunzeln und ich finde es keineswegs bedauerlich, dass der Steinway keine Blutspritzer abbekommen hat (In die Hand hacken beim Messerschärfen, du meine Güte. Und das als Tastenmensch!). Das einzig Furchtbare an dem Abend: Er ist jetzt vorbei. Die Vorfreude auf die Musik einer meiner allerliebsten Künstler in einem meiner allerliebsten Konzertsäle – wie Geburtstag, Weihnachten und alle anderen Fest- und Feiertage zusammen! – wird mir fehlen.

So, und ab jetzt läuft es hier wieder im üblichen Takt! Ich werde mich zumindest bemühen…

In Concert: Federico Albanese im resonanzraum

Fabrizio Paterlini (1) ist quasi der kleine Bruder von Ludovico Einaudi (2)“, sagte mal jemand in meinem Beisein, der sehr viel Musik hört. Der Vergleich ist durchaus zulässig, auch wenn er hinkt. Federico Albanese (3) ist zumindest verwandt. Man könnte über dieses Dreigestirn beispielsweise sagen, dass (1) minimalistischer als (2) ist – und zwar nicht im Sinne des gleichnamigen Musikstils -, während (3) tatsächlich ein wenig Richtung Philip Glass tendiert. Man könnte diese ganze Vergleicherei aber auch einfach lassen. Und die Musik genießen.

„Blue Hour“, was für ein passender Name für das aktuelle Album. Auf Lamberts präpariertem Flügel klang es zauberhaft, aber auch die Originalversion überzeugte. Ein Cello dazu wäre schön gewesen. Beim nächsten Mal vielleicht.

resonanzraum
resonanzraum

Apropos „Cello“ und „nächstes Mal“: Wie genial ist denn bitte der resonanzraum? Der sieht mich wieder; das steht fest.