Ein Satz mit X (und einer mit Ätsch)

Nein, ich will mich nicht beschweren. Ich war ja schon im Großen Saal der Elbphilharmonie und ich habe per Stand heute noch Karten für fünf*) weitere Veranstaltungen in diesem Jahr. Beim Vorverkaufsstart im letzten Sommer war geraume Zeit nahezu freie Wahl für Frühentschlossene – von ein paar sehr begehrten Konzerten einmal abgesehen. Es kamen nach und nach ein paar Festivals sowie Konzerte externer Veranstalter dazu; es lohnte sich, immer mal wieder einen Blick auf das Programm zu werfen. Und zeitnah zuzugreifen.

Dann wurde es Januar, die spektakuläre Eröffnung rückte näher und plötzlich brach allenthalben Torschlusspanik aus. „Wie, Du hast Elphi-Karten?!? Wie hast Du das geschafft?“ Siehe oben. Keine Hexerei.

Inzwischen gleicht es einer Lotterie. In dem stetig anschwellenden „Ist mir doch egal, was ich sehe/höre, Hauptsache ich war mal drin“-Hype geht der Elbphilharmonie-Ticketshop bei jeder weiteren Vorverkaufsstartankündigung gnadenlos in die Knie. Trotz kontinuierlicher Aufrüstung.

Oh! Ein Ticket! Hurra!
Oh! Ein Ticket! Hurra!
Hübsches Dach. Aber wo geht's zum Checkout?
Hübsches Dach. Aber wo geht’s zum Check-out?
Nu komm mal in die Hufe. Die Warenkorbfrist läuft gleich ab.
Nu komm mal in die Hufe. Die Warenkorbfrist läuft gleich ab!
Orrrr.
Orrrr.

„Pffft, kauf ich mir halt ein Ticket für GoGo Penguin im Uebel & Gefährlich„, denk ich. Und während alles noch auf die rotierende Elphi-Webseite starrt, finde ich via Eventim zufällig heraus, dass heimlich, still und leise auch der Vorverkauf für das Konzert von Martin Kohlstedt Ende Dezember begonnen hat. Veranstaltungsort: Der Große Saal der Elbphilharmonie.

Ätsch.


*) Jetzt: Sechs.

4 Gedanken zu „Ein Satz mit X (und einer mit Ätsch)“

  1. Ich habe mir erst kürzlich die Frage gestellt was all die Popkunst und (von mir aus) -musik in einer Philharmonie zu suchen hat. Aber dann dachte ich mir: „Soll doch hingehen und machen wer will!“

    Jetzt bei Ihnen die unterschwellige Kritik am „„Ist mir doch egal, was ich sehe/höre, Hauptsache ich war mal drin“-Hype“ zu lesen versetzt mich natürlich ins Lachen.

    Ich finde es sehr legitim, dass man mal drin gewesen sein möchte. Weniger legitim finde ich, dass das nicht genutzt wird, um die klassische Musik, deren Zuhause eine solche Philharmonie sicherlich sein muss, zu befördern.

    Stattdessen werden Jazz/Pop/Elektro/etc.-Acts als Hauptprogramm dargestellt. Für Leute wie Sie. Für alle. Und so soll es dann wohl sein. Viel Spaß in der Elbphilharmonie.

    PS: Ich habe bereits Karten. Es schreibt also kein Frust (obwohl ich den sicherlich nachvollziehen kann), sondern ein ehrlicher Geist.

    1. Natürlich ist es legitim, einmal „drin gewesen sein“ zu wollen. Es ist nur die Frage, ob die Musik dabei noch das vornehmliche Interesse ist. Ich bezweifele das in nicht wenigen Fällen und das finde ich schon ein wenig bedauerlich, allem Verständnis für den Elphi-Hype zum Trotze.

      Die Sache mit den Genres, ach je, das ist ein ganz anderes Thema. Wenn Sie betrachten, über welche Musikereignisse ich hier schreibe, dann sehen Sie Klassik, Oper, Jazz, Elektronik, das, was man gemeinhin als Neo-Klassik bezeichnet und gelegentlich auch Pop. Mich reizen dabei besonders die Grenzgänger, aber ich habe auch Spaß an Beethoven, Brahms & Co. Die Elbphilharmonie will ein Haus für alle sein und ich begrüße ausdrücklich, daß sie auch ein Haus für verschiedene Musikgenres sein will. Was übrigens die Laeiszhalle schon lange vormacht.

      Wissen Sie, was mich nach Jahren der Abstinenz wieder zur (Live-)Klassikgenießerin gemacht hat? Ein Stummfilmkonzert des damals noch NDR Sinfonieorchesters auf Kampnagel. Zur Aufführung kam die 1989 geschriebene Filmmusik von Carl Davis, eine Nachvertonung zu „Ben Hur“ in der Fassung von 1925. In welche Schublade packt man das? Ist das überhaupt wichtig? Für mich zunehmend weniger. Gut gemachte und gut aufgeführte Musik bleibt gut gemachte und gut aufgeführte Musik. Das Etikett ist zweitrangig.

      Gut, daß die Programmmacher der Elbphilharmonie das begriffen haben.

      1. Sicherlich ist es begrüßenswert, dass die Elbphilharmonie ein Ort für alle wird.

        Es geht aber letztlich doch um den Einsatz der Mittel. Wenn ein Konzert im Uebel&Gefährlich stattfinden kann und auch im Kampnagel für verzückte Ohren sorgt, dann stellt sich doch die Frage, ob es in der Elbphilharmonie stattfinden sollte. Ein klassisches Orchester oder Ensemble klingt kann hingegen von der blendenden Akustik viel besser profitieren und zumindest Ersteres kann eben schon rein vom Platz nicht im Kampnagel stattfinden. Von der Akustik ganz zu schweigen.

        An Orten für beeindruckende und faszinierende Orte für diverse musikalische Stilrichtungen mangelt es Hamburg nicht.
        Eine Knappheit an exzellenten, hochklassigen Veranstaltungsorten dürfte es aber nicht nur Hamburg, sondern auch weltweit geben. Zumindest wenn die akustischen Einordnungen der Elbphilharmonie einigermaßen passend sind (besten zehn Konzertsäle weltweit, etc.).

        Die Nachfrage nach klassischen Werken ist (wenn der Kartenverkauf ein Indiz ist) nachhaltig. (Sollte sich das ändern spricht ja nichts dagegen auch anderen Stilrichtungen ein Forum zu bieten.)
        Warum also nicht den passenden Deckel für den Topf nehmen? Ein Mismatch ist hier offenkundig.
        Das wäre meine Kritik. Und sie ist immun gegen sämtliche Argumente, dass die Elbphilharmonie für alle sein sollte. Denn wenn die Leute (Ihre Annahme) unabhängig von der Musik dort hinströmen, dann wäre das eine Möglichkeit den kulturellen Horizont vieler zu erweitern und sie (wie Sie) neu zu begeistern.

        Wenn das nicht auch ein Auftrag der Kulturpolitik Hamburgs ist, dann hat sie versagt. Die Schaffung von Eliten brauchen wir nicht.

        Rufus Wainwright oder die NDR BigBand haben genug Venues an denen sie in Hamburg begeistern können. Dass das für die großen Orchester gilt glaube ich, mindestens auf dem Niveau, in Hamburg nicht.

        In diesem Sinne, allen viel Spaß. Es ist ohnehin nicht zu ändern und so können wir das also auch positiv sehen und allen ein tolles Erlebnis in einem tollen Saal wünschen. Unabhängig von der Motivation (Musik oder Gebäude oder Gruppenzwang oder Herdenverhalten oder …).

        1. Eine Sache an Ihrer Argumentation gefällt mir nicht: Warum sollte dieser exzellente, hochklassige Veranstaltungsort für klassische Musik reserviert bleiben? Die Vorstellung, dort im Dezember Martin Kohlstedt spielen zu hören, in dieser besonderen Atmosphäre, verursacht mir jetzt schon Gänsehaut. Wobei ich noch nicht weiß, ob er sein Repertoire dann rein akustisch, auf dem Konzertflügel, oder mit elektronischem Gerät spielen wird (er kann nämlich beides und ich hoffe auf ersteres). Das ist nur ein Beispiel; es gibt diverse, von der Klassik bisweilen gar nicht so weit entfernte musikalische Spielarten, die von einem solchen Ort in ähnlichem Ausmaß profitieren. Abgesehen davon nehmen diese und ähnliche Veranstaltungen der Klassik nichts weg! Das Jahr hat 365 Tage und selbst ein Veranstaltungsort wie die Elbphilharmonie wird es nicht schaffen, an allen Tagen Klassik auf hohem Niveau anbieten zu können. Zumal im Sommer.

          Zudem widerspreche ich der Aussage, daß ein klassisches Orchesterkonzert auf Kampnagel schon vom Platz her nicht stattfinden kann. Waren Sie mal in der K6 bei einem Konzert des NDR Sinfonie- bzw. jetzt Elbphilharmonie Orchesters? Und ob das geht! Sogar von der Akustik her. Ich bedaure sehr, daß das Orchester in dieser Spielzeit (verständlicherweise) keine Kapazitäten für einen Ausflug an die Jarrestraße hat.

          Nur eine Sache sehe ich in dem Zusammenhang kritisch: Manchen Künstler und manches Ensemble werde ich künftig leider nicht erleben können, eben weil die Konzerte in der Elbphilharmonie stattfinden und es so schwierig geworden ist, dafür Karten zu ergattern. Aber auch das ist wohl vorerst nicht zu ändern.

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