In Concert: „König Arthur“ in der Laeiszhalle

Wie außerordentlich ungünstig, dass das Schleswig Holstein Musik Festival ausgerechnet meine Lieblingsstadt London als diesjährigen Schwerpunkt auserkoren hat, war ich doch im Festivalzeitraum insgesamt drei Wochen unterwegs! Immerhin, zur konzertanten Aufführung von Henry Purcells „König Arthur“ in die Laeiszhalle habe ich es geschafft. Ganz sicher war ich mir allerdings nicht, ob mir das gefallen würde. Klar, Purcell ist ein Begriff, aber gleich eine ganze Barockoper? Nicht gerade mein Sondersammelgebiet, um es bibliothekarisch auszudrücken.

Ich hätte mir keine Sorgen zu machen brauchen. Die Performance des Gabrieli Consort unter der Leitung von Paul McCreesh zusammen mit Anna Dennis, Mhairi Lawson, Charlotte Shaw, Jeremy Budd, Matthew Long, Malachy Frame und Dingle Yandell gestern Abend war schlichtweg mitreißend. Dabei beschränkte sich die Aufführung auf die musikalischen Teile des Werks, der gesprochene Part wurde komplett ausgeblendet. Oper ohne Handlung also. Das hätte langatmig werden können, wurde aber durch die szenischen Darbietungen der Sänger:innen äußerst lebendig. Zu meiner Überraschung erkannte ich mit „What Power art thou, who from below…“ ein Stück, welches Sting einst unter dem Titel „Cold Song“ einem breiteren Publikum bekannt machte.

Der heimliche Höhepunkt im V. Akt: „Your hay it is Mow’d, and your Corn is Reap’d“, vorgetragen in bester englischer Manier, als Trinklied nämlich.

Danach ließ es sich beschwingt Richtung U-Bahn schwanken. Ich bin ja immer noch ein klein wenig landkrank. Obwohl wir nur an zwei von sieben Tagen Welle hatten!

It takes two to tango

Es hilft nichts, ich muss doch darüber schreiben.

Zuerst lese ich es im Newsletter des Schleswig-Holstein Musik Festivals: Wir machen wieder Livekonzerte! Freude, schöner Götterfunken usw. usf.! Äh, Moment: „Für jedes dieser Konzerte stehen 125 ‚Duo-Karten‘ zur Verfügung, die jeweils zum Einlass von zwei Personen eines Haushalts berechtigen“. Ich zähle die Personen meines Haushalts und komme exakt bis eins. Und nun?

Als nächstes folgt die Elbphilharmonie mit „Sommer, Sonne, Konzertkino“. Buchbar sind die Ticketvarianten Wiesenfläche für 4 Besucher bzw. Strandkörbe oder Wiesenfläche für 2 Besucher – schönen Dank auch. Damit nicht genug: In-House-Konzerte können vorerst nur mit stark verringerter Besucherzahl angeboten werden. So weit, so verständlich. Der Corona-Saalplan des Großen Saals sieht bei 628 bestückbaren Plätzen allerdings gerade einmal 13 Einzelsitze vor, bei denen es sich weder um Rollstuhlbegleit- noch um unverkäufliche Dienst- und Direktionsplätze handelt. Im Kleinen Saal werden gar keine Einzelplätze angeboten. Euer Ernst?

Bei allem Verständnis dafür, dass man trotz der geltenden Beschränkungen möglichst viele Plätze besetzen will: Kulturfans treten nicht nur paarweise auf. Laut Statistikamt Nord werden 54,5% der Haushalte in Hamburg von nur einer Person bewohnt. Der Begriff „Minderheit“ ist in diesem Zusammenhang relativ.

Als Einpersonenhaushalt darf ich mir nun also aussuchen, ob ich doppelt löhnen oder auf das Abstandsgebot pfeifen soll. Beides für mich keine Option. Ich zahle aus Prinzip keine Einzelzimmerzuschläge, sondern trage mein Geld zu Unternehmen, die Alleinreisende nicht als Abweichung von der Norm verstehen. Da fange ich mit so etwas erst recht nicht bei Kulturveranstaltungen an – Corona hin, Hygiene her.

Was bleibt mir übrig? Da zu buchen, wo Einzelkämpfer erwünscht sind und nicht draufzahlen. Bei den Konzerten auf dem Lattenplatz des Knust zum Beispiel. Oder beim Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel.

Ansonsten bin ich im Lichte der neuen Erkenntnis sehr gespannt, was mit meinem (bereits bezahlten) Elbphilharmonie-Abo passiert. Hatte ich übrigens erwähnt, dass ich immer noch auf Ticketrückerstattungen warte?

The Show must go online (11)

Schnellen Schrittes geht es auf Mittsommer zu. Höchste Zeit, sich dem Thema Festivals zu widmen.

Die bekanntermaßen bis Ende August größenteils nicht in gewohnter Form stattfinden können – den neuesten Meldungen zufolge sogar bis Ende Oktober nicht.

In ungewohnter Form, nämlich bei ARTE und online, geht daher an kommenden Wochenende das Hurricane an den Start.

Bereits am 9. Juni hatte das Team des Schleswig-Holstein Musik Festivals den „Sommer der Möglichkeiten“ ausgerufen. Auch hier ist ein Mix aus TV- und Radioübertragungen, Onlineangeboten sowie – sofern möglich – einzelnen Live-Konzerten geplant. Das Eröffnungsfest wird am 5. Juli 2020 auf 3sat (20:15 Uhr) und NDR Kultur (20:05 Uhr) übertragen. Daniel Hope wird ebenfalls wieder dabei sein – „Hope@Home“ ist mittlerweile „on Tour“ gegangen. Was mich in diesem Zusammenhang besonders freut: Auch Klarinettist und Jazzpianist Ilja Ruf zählt zu den Gästen des Lübeck-Musikfests. Sein erfolgreicher Auftritt beim Auswahlkonzert für den „Steinway Förderpreis Jazz“ im November 2017 hatte mich nachhaltig beeindruckt. Nicht zuletzt deshalb, weil Ruf dieses im zarten Alter von gerade einmal 16 Jahren und einer beneidenswerten Souveränität bestritt.

Der NDR hat in der Zwischenzeit einen weiteren Aktionstag ausgerufen: Unter dem Stichwort „Kultur trotz Corona – Der Festivalsommer“ zeigt das NDR-Fernsehen vom 20. auf den 21. Juni 2020 eine lange Nacht der Festivals. Auf NDR.de wird dazu am 19., 20. und 21. Juni 2020 jeweils ab 14 Uhr Archivmaterial gestreamt. Das Thema Festival bleibt über das Aktionswochenende hinaus bis in den September auf NDR.de präsent.

Kein Festival, aber zweifelsohne eine Besonderheit unter den Corona-Livestreams wird das „Concierto para el Bioceno“ werden, welches am 22. Juni 2020 ab 17 Uhr auf dem YouTube-Kanal von des Gran Teatre del Liceu in Barcelona verfolgt werden kann. Das Konzert wird nämlich vor rund 2.300 Topfpflanzen aufgeführt, die anschließend als Dankeschön an Beschäftigte des Gesundheitswesens gespendet werden. Auf dem Programm steht das Streichquartett „Crisantemi“ von Giacomo Puccini. Mein aus Heimarbeitsgründen aus dem Büro evakuierter Ficus und ich gucken bestimmt mal rein.

In Concert: Das vision string quartet in der Elbphilharmonie

„Einem so großartigen und sympathischen Künstler wie Avi Avital die Show zu stehlen ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Dem vision string quartet gelang dies allerdings im vergangenen Sommer.“ So ist es im Programmheft des diesjährigen Schleswig-Holstein Musik Festivals zu lesen und genau aus diesem Grund hatte ich mich um ein Ticket für den Auftritt des Quartetts in der Elbphilharmonie bemüht: Nach dem Konzert in Lübeck im letzten Jahr war ich hingerissen, um nicht zu sagen schockverliebt in alle vier Musiker.

Der Abend unter der Überschrift „String Visions“ begann mit Dmitri Schostakowitschs Streichquartett Nr. 8 c-Moll op. 110, das beinahe nahtlos in György Ligetis Streichquartett Nr. 1 überging. Nach der Pause folgte das Streichquartett Nr. 6 f-Moll op. 80 von Felix Mendelssohn und zwei Zugaben später verließ ein sehr überzeugtes Publikum den Großen Saal. Nicht ein einziges Notenblatt war auf der Bühne zu sehen und bis auf die Bank für den Cellisten auch keine Sitzgelegenheit für die übrigen drei Mitglieder des Ensembles. Spielweise, Auftritt und Repertoire lassen sich in zwei Wörtern zusammenfassen: „Vielseitigkeit“ und vor allem „Dynamik“. Letzteres mit mindestens fünf Ausrufezeichen.

Für das „KammermusikPlus“-Konzert am 1. 2. 2019 im Kleinen Saal gibt es übrigens noch Karten. Ich habe meine schon.

Die Kunstpause…

… im Susammelsurium ist vorbei! Die Hitzewelle wohl erst einmal auch und dass das beides zusammenfällt, ist mit Sicherheit kein Zufall.

Gestern wurde das Internationale Sommerfestival auf Kampnagel eröffnet, ich war dabei und habe mich insgesamt viermal eingebucht. Der Bericht kommt wie immer ganz zum Schluss. Zwischendrin stehen auch noch je einmal „Elbphilharmonie Sommer“ und Schleswig-Holstein Musik Festival auf dem Programm.

Wobei, ganz auf Kulturnull war ich ja doch nicht. Während der letzten Wochen habe ich es immerhin in eines meiner Lieblingsmuseen geschafft, durchaus in der stillen Hoffnung, dort ein erträglicheres Klima vorzufinden.

Mobile Welten: "Give the drummer some!"
Mobile Welten: „Give the drummer some!“
Art Déco - Grafikdesign aus Paris: A. M. Cassandre
Art Déco – Grafikdesign aus Paris: A. M. Cassandre
Toaster Times: Die Anfänge
Toaster Times: Die Anfänge
Toaster Times: Toastmaster
Toaster Times: Toastmaster
Toaster Times: Bunt
Toaster Times: Bunt

Bis einschließlich 1. OG hat das einigermaßen geklappt, aber auf Höhe der Spiegelkantine war’s doch wieder gut mollig.

Spiegel-Kantine
Spiegel-Kantine

Und dann wurde mir noch etwas Musik ins Postfach gespült: Tom Gatza heißt der junge Mann und es ist – natürlich! – irgendwas mit Klavier. Musikalisch schwer einzuordnen: „Tilbuin“ erinnert mich beispielsweise tendenziell an GoGo Penguin, nur mit weniger Druck und weniger Jazz, die Klaviersolostücke wieder an ganz andere Zeitgenossen. Alles weder sonderlich spektakulär noch innovativ, aber ich habe die EP „Melo“ (erscheint am 5. 10. 2018) nun schon seit ein paar Tagen auf den Ohren, mag sie und würde die Stücke bei Gelegenheit gern auf Livetauglichkeit überprüfen.

Am 1. 10. 2018 im Häkken klappt das nur leider noch nicht. Da bin ich nämlich bei Pierre-Laurent Aimard in der Elbphilharmonie.

In Concert: Das Tingvall Trio in der Alten Reithalle in Elmshorn

Jetzt war ich schon bei einigen Konzerten des Schleswig-Holstein Musik Festivals, sogar auch schon in Schleswig-Holstein, aber das echte SHMF-Gefühl war bisher nicht dabei. Ich meine damit die ganz und gar ländlich geprägten Veranstaltungsorte, wie z. B. das Kuhhaus in Altendorf, die Scheune in Wulfshagen oder den Rinderstall in Haseldorf. Das hat viel damit zu tun, dass eben gerade diese Orte für Menschen ohne Teilnahme am motorisierten Individualverkehr schlecht bis gar nicht zu erreichen sind.

Anders verhält es sich mit der Alten Reithalle in Elmshorn – na gut, es sind rund zwanzig Minuten Fußweg vom Bahnhof, aber das rangiert bei mir noch unter „gut erreichbar“. Dazu kommt: Für einen Auftritt des Tingvall Trio nehme ich gerne eine längere Anreise in Kauf. Ich kenne die Setlist des aktuellen Tourprogramms zwar inzwischen rauf und runter, aber es wird nicht langweilig. Im Gegenteil.

Und dann waren da noch die Gastgeber!

Konzert mit Pferd

Nächstes Mal nehme ich Möhrchen mit.

In Concert: Die SHMF Klub-Nacht in der S-Bahn-Station Hamburg Airport

Dass ich mir zuletzt zu 50% wegen Ólafur Arnalds eine Nacht um die Ohren geschlagen habe, ist etwas über ein Jahr her. Dieses Mal war die Anreise nicht so lang – bis zum Airport sind es von meiner Wohnung aus nur drei Stationen mit der S1 – und bei der anderen Hälfte handelte es sich nicht um Nils Frahm, sondern um Janus Rasmussen.

Unter dem Namen Kiasmos präsentierten die beiden ein weiteres Mal ihre minimalistisch-experimentelle Version des Techno und wurden dabei unterstützt durch DJ-Sets von Melbo und Aparde. Das Außergewöhnliche bei diesem Auftritt war sowohl der Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals als auch der Veranstaltungsort, die S-Bahn-Station des Hamburger Flughafens. Zwei Sonderzüge brachten die Ticketinhaber auf den Bahnsteig, auf dem bereits Licht- und Tontechnik sowie ein DJ-Pult aufgebaut war. Die S-Bahn-Züge dienten während des Konzerts als Sitzgelegenheit und Bar und im Anschluss als Rücktransportmittel.

Laut Veranstalterangabe war die Klub-Nacht ausverkauft. Dafür befanden sich für mein Empfinden erstaunlich wenige Menschen in den Sonderzügen und auf dem Bahnsteig, der obendrein ungefähr zur Hälfte abgesperrt war. Der Stimmung tat das keinen Abbruch, wozu das longdrink- und shotlastige Getränkeangebot sicher beigetragen hat. Der Altersdurchschnitt lag erwartungsgemäß deutlich unter dem der Mehrzahl der übrigen Programmteile des Schleswig-Holstein Musik Festivals, wobei ich einige Besucher sah, die sich unter „SHMF Klub-Nacht“ möglicherweise etwas anderes vorgestellt hatten. „‚Klub‘ wie Rave, nicht das mit den Zweireihern“, wollte man Ihnen nachträglich zuraunen.

Den Anfang machte Melbo, eine gelungene Wahl. Gegen halb zwei übernahmen Kiasmos das Ruder. An dieser Stelle machte sich erneut ein Phänomen bemerkbar, welches mir zunehmend auf den Senkel geht: das Partyvolk unter den Konzertbesuchern, das in erster Linie daran interessiert ist, sich selbst zu feiern. Da betritt der Hauptact die Bühne und die gehen erst einmal Getränke holen. Ist irgendwie Krach da vorne, groovt auch gut, aber wer da steht und was wir da hören – who cares! Selfiesmile! Noch’n Wodka-Red Bull? Ups, ahahaha, Drink verschüttet, der Tante direkt auf die Füße! Lustig!

Zugegeben, ich setze da wohl zu strenge Maßstäbe an, zumal bei einer Veranstaltung, die offensiv als Party beworben wurde. Es führte jedenfalls dazu, dass ich mich nach wenigen Minuten aus der Menge an den seitlichen Rand des DJ-Pults verzog. Da war die Luft besser, ich hatte Platz, mich zu bewegen und außerdem konnte ich den Akteuren aus etwa drei Metern Entfernung direkt auf die Finger gucken.

Ólafur Arnalds und Janus Rasmussen agierten verhalten. Ein wenig mehr Animation Richtung Publikum hätte dazu beitragen können, die Aufmerksamkeitsrate zu erhöhen und die Stimmung trotz der vergleichsweise übersichtlichen Menge anzuheizen. So blieb es bei dem Eindruck, dass Publikum und Künstler während des rund 1 1/2-stündigen Sets nicht ganz zueinander fanden.

Um kurz nach drei Uhr löste Aparde das Duo ab, Schlag vier erklangen die letzten Beats und das Licht wurde angeschaltet. Binnen weniger Minuten waren Reinigungsfahrzeuge auf den Bahnsteigen im Einsatz. Die Bahnen füllten sich, die Besucher mussten allerdings noch geschlagene zwanzig Minuten auf die Abfahrt der Züge warten. Das alles hatte sicherlich gute und auch sicherheitsrelevante Gründe, erzeugte aber nichtsdestotrotz das Gefühl einer ziemlich brachialen Rückbeförderung in die Realität. Ich behalte die SHMF Klub-Nacht am Hamburger Airport daher als eine unterhaltsame und perfekt organisierte, aber auch irgendwie sterile Veranstaltung in Erinnerung.

Und was die Stimmung betrifft: Vielleicht sollte ich irgendwann mal einen Kiasmos-Gig außerhalb von Hamburg besuchen. Da ist eindeutig noch Luft nach oben.

Theater, Theater: „Hotel Paradiso“ im Ernst Deutsch Theater

Es mag nicht allgemein bekannt sein, aber das Programm des Schleswig-Holstein Musik Festivals beschränkt sich keinesfalls nur auf klassische Musik. Meine diesjährige Auswahl spiegelt diese Tatsache nahezu perfekt wider:

  1. Kammermusikensemble trifft Mandolinist trifft präpariertes Klavier,
  2. Orchesterkonzert,
  3. Theater und
  4. (Minimal) Techno.

Gestern war das Theater dran: Familie Flöz lud ein ins „Hotel Paradiso“. Ich saß in der vorletzten Reihe des vollgepackten Ernst Deutsch Theaters und staunte darüber, dass ich da vor mir auf der Bühne ein Stück ganz ohne Worte und ohne Mienenspiel sah – alle Darsteller trugen Masken – und doch alles verstand. Allein mittels Bühnenbild, Requisiten und Toneinspielungen, aber vor allem durch den körperlichen Ausdruck der jeweils handelnden Personen.

So gut war das, dass ich erst zum Schlussapplaus begriff: Die insgesamt 16 Charaktere*) des Stückes wurden von nur vier Schauspielern verkörpert. Und hinter der Maske der alten Dame war gar keine. Also, eine Dame jetzt.

Einzig das Stück selbst war nicht ganz nach meinem Geschmack. „Nie war Familie Flöz böser und abgründiger“, heißt es in der Beschreibung, „ein Alpen-Traum voll von schwarzem Humor, stürmischen Gefühlen und einem Hauch Melancholie.“ Von mir aus hätte der Melancholieanteil gerne höher und der Humor dafür etwas weniger robust ausfallen dürfen.

Momentan ist Familie Flöz noch mit drei weiteren Produktionen unterwegs: „Haydi!“, „Teatro Delusio“ und „Infinita“. Die vier Aufführungen von „Teatro Delusio“ ab morgen bis zum 21. 7. im Kieler Schauspielhaus sind allerdings bereits restlos ausverkauft.


*) Die Seniorchefin, der Sohn, die Tochter, der Seniorchef;
der Koch, das Zimmermädchen, der rotlivrierte Bellboy;
der Dieb, der Kommissar, der Assistent;
der Hotelkritiker;
die aufgetakelte Frau, die Frau mit dem Fotoapparat,
der Jogger, der Erleuchtete, der Gast, der dann doch keiner wurde und ich habe bestimmt noch jemanden vergessen.

In Concert: Philip Glass zum 80. in der Elbphilharmonie

Wie das immer so ist: Erst passiert ewig nichts und dann alles auf einmal. Mein zweiter SHMF-Konzertbesuch ist noch immer unverbloggt, dabei war das schon vor einer Woche. Höchste Zeit, es nachzuholen.

Als ich irgendwann im Februar das aktuelle Programm des Schleswig-Holstein Musik Festivals in die Hände bekam, war aus diesem „Philip Glass zum 80.“ mit Daniel Hope und dem hr-Sinfonieorchester unter der Leitung von Hugh Wolff das eine Konzert, für das ich unbedingt eine Karte haben wollte. Mit Blick auf den Veranstaltungsort verpuffte meine Euphorie jedoch schlagartig. „Keine Chance“, dachte ich, „auf die Elphi-Konzerte werden sich Sponsoren und Vereinsmitglieder stürzen wie die Geier. Das kannste gepflegt knicken.“ Ich verdrängte meine Enttäuschung, suchte mir drei andere Perlen aus dem Programm, bestellte und bekam, was ich sehen und hören wollte.

Ganz aus dem Kopf schlagen konnte ich mir das Traumkonzert jedoch nicht, weswegen ich ein paar Wochen später die Wartelistenoption wahrnahm und zu meiner großen Überraschung und Freude berücksichtigt wurde. Man soll halt nie vorzeitig die Flinte ins Korn*) werfen.

Zu Beginn des Abends begrüßte Dr. Christian Kuhnt, Intendant des SHMF, die Anwesenden und bekannte, schon vor Jahren davon geträumt zu haben, in der dann neu erbauten Philharmonie einen Philip Glass-Abend veranstalten zu dürfen. Zunächst aber hatte Maurice Ravel mit „Une barque sur l‘ océan“ das Wort. Als Intro für Philip Glass mag diese Wahl etwas ungewöhnlich anmuten, ist aber insofern sinnig, als das Ravel in diesem Jahr im Fokus des Festivals steht. Und ein schönes Stück ist es ohne Frage.

Es war mein erstes Zusammentreffen mit dem hr-Sinfonieorchester unter Hugh Wolff, für mich zuvor ein unbeschriebenes Blatt, und ich entwickelte eine Spontansympathie schon nach wenigen Takten. Diese vertiefte sich noch durch die weiteren Programmpunkte des Abends, dem 1. Violinkonzert und der 1. Sinfonie („Low Symphony“) von Philip Glass sowie der Zugabe „Alborada del Gracioso“, wiederum von Maurice Ravel.

Solist beim Violinkonzert war Daniel Hope und eigentlich bin ich ja Fan. Aber auch ohne das Stück vorher gehört zu haben, fiel mir auf, dass das Zusammenspiel mit dem Orchester an einigen Stellen nicht ganz synchron war. Auf der Suche nach Beurteilungen anderer stieß ich auf zwei nahezu gegensätzliche Kritiken: „hpe“ lobt in der „Welt“ den Solisten und schmäht das Orchester – OK, die Trompete habe ich auch gehört, aber das war wirklich der einzige Patzer, der mir in Erinnerung geblieben ist -, während Verena Fischer-Zernin im „Hamburger Abendblatt“ meine Beobachtungen bestätigt. Es ist schon faszinierend, wie unterschiedlich Menschen Kulturereignisse wahrnehmen. Von Kritikern ganz zu schweigen.

Wie dem auch sei, Hopes Zugabe merzte den zwiespältigen Eindruck im Anschluss gänzlich wieder aus. Er spielte das Kaddish von Maurice Ravel und widmete es dem kürzlich verstorbenen Sir Jeffrey Tate. Ein Stein, der da keine Träne im Knopfloch hatte.

Als kleinen Nebeneffekt habe ich durch die Wartelistenlotterie übrigens in Erfahrung bringen können, auf welchen Plätzen man im Großen Saal sowohl perfekt sehen als auch sehr gut hören kann. Leider sind es mit die teuersten, wodurch dieser Genuss künftig die Ausnahme von der Regel bilden wird.


*) Apropos, falls jemand eine (seriöse) Kartenquelle fürs Tingvall Trio weiß, Termin: 8. 11. 2017 in der Elbphilharmonie: bitte melden!

In Concert: Avi Avital, Hauschka und das vision string quartet in der Rotunde der MuK zu Lübeck

Da ist noch von der Keimzelle meiner Gipfelflucht nach Lübeck zu berichten: das Konzert unter der Überschrift „Avital & Hauschka“ in der Rotunde der Musik- und Kongresshalle (MuK).

Zwei Gründe gab es für diese Wahl: Ich sah und hörte Avi Avital bereits bei der Vorstellung des SHMF-Programms der laufenden Saison in Hamburg und bekam dabei Lust auf mehr. Außerdem hatte ich Volker Bertelmann aka Hauschka, dessen Musik mir zuvor schon ein paar Mal in diversen Compilations und durch den Spotify-Algorithmus ins Ohr geraten war, bisher noch nicht live erlebt. Abgesehen davon reizte mich die Kombination „Mandolinist trifft Klavierverfremder“.

Gar nicht auf dem Schirm hatte ich dabei das vision string quartet, das – überraschenderweise, so zumindest für mich – einen Großteil des Abends bestritt. Der Seitenblick ins Programmheft der Sitznachbarin verriet mir, daß Avi Avital und Hauschka tatsächlich nur für die Dauer eines Stücks leibhaftig aufeinandertreffen würden. Meine anfängliche Enttäuschung legte sich aber rasch, als Avital und die Streicher das erste Stück anstimmten: „Cymbeline“ für Mandoline und Streichquartett von David Bruce. Sowohl die Komposition als auch die vier mir bis dato unbekannten Musiker überzeugten auf Anhieb.

Dieser Eindruck verstärkte sich im weiteren Verlauf. Anders als im Programm vorgesehen wurde das Streichquartett Nr. 1 von Alberto Ginastera gegeben. Für mich kein Verlust, denn ich kannte weder dieses noch die ursprünglich angesetzten „Fünf Stücke für Streichquartett“ von Erwin Schulhoff. Die vier Sätze wurden durch die Pause geteilt – eine unglückliche Entscheidung. Unabhängig davon mochte ich es sehr. Noch eine Neuentdeckung! Die zwei Auftragswerke „Flood“ und „Draught“ von Hauschka für Mandoline und Streichquartett wurden ganz zum Schluss präsentiert, was auch dramaturgisch wunderbar passte.

Der Komponist als Musiker hatte es dagegen sowohl mit seiner Solo-Klavierimprovisation als auch im Zusammenspiel mit Avi Avital nicht ganz so leicht. Die Technik und die Akustik der Rotunde passten nicht optimal zusammen, das Publikum reagierte norddeutsch-spröde. Überhaupt schien mir die Mehrzahl der Anwesenden eher an dem gesellschaftlichen Ereignis Schleswig-Holstein Musik Festival als an der aufgeführten Musik interessiert zu sein. Einige verließen vorzeitig den Saal, nicht wenige Menschen schafften es nicht rechtzeitig zu Beginn des zweiten Teils auf ihre Plätze zurück und das Interesse an der Zugabe hätte ruhig größer ausfallen dürfen. Kein schöner Eindruck.

Ein wenig erstaunt hat mich auch, dass erst auf Veranlassung einer Zuhörerin hin das störende Gebläse abgeschaltet wurde. Schließlich war es nicht die erste Veranstaltung dieser Art an diesem Ort. Da sollte man doch meinen, dass gewisse Erfahrungswerte vorhanden sind.

In meinen Augen (und Ohren) war es trotz der ein oder anderen kleinen Unwucht im Gesamtablauf ein gelungener Konzertabend. Das Lübecker Konzertpublikum aber, so scheint es mir, ist wohl noch nicht bereit für Hauschka. Vielleicht ist es aber auch schlicht nicht sonderlich experimentierfreudig. Schade eigentlich.