The Show must go online (9)

Allen Lockerungen zum Trotze: Die Kontaktbeschränkungen wurden verlängert und die Kultur steht weiterhin mehrheitlich auf „Pause“. Dennoch hat diese Woche unter der Tagline „Vorfreude klang nie schöner“ der Vorverkauf zur nächsten Elphi-Spielzeit begonnen – der Tradition folgend zunächst mit einem Zusammenbruch des Online-Buchungssystems.

Deutlich unschöner ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass Konzert- und Theaterkassen dieses Mal keine Kartenkontingente für Veranstaltungen der HamburgMusik gGmbH und der Konzertdirektion Dr. Rudolf Goette (ProArte) erhalten haben. Bei allem Verständnis für die nachvollziehbaren Gründe dieser Aktion – bessere Kontrolle des Kartenverkaufs beziehungsweise einer gegebenenfalls notwendigen Rückabwicklung, Einführung des „Bestelle jetzt, zahle erst dann, wenn sicher ist, dass das Konzert auch stattfindet“-Prinzips (zumindest bei der HamburgMusik gGmbH) – wird da ein Glied der kulturellen Nahrungskette im Stich gelassen, das zweifelsohne ebenfalls schwer unter den Folgen der Krise zu leiden hat. Mir tut es insbesondere für die Theaterkasse Schumacher leid, die mir mit ihrem Elphi-Sondernewsletter und dem dazugehörigen Service in der Vergangenheit mehrfach Zutritt zu eigentlich längst ausverkauften Veranstaltungen verschaffen konnte. Vollkommen legal, versteht sich. Ab jetzt und bis auf Weiteres keine Selbstverständlichkeit mehr.

So oder so, das Spielzeitprogramm ist Zukunftsmusik im Wortsinne. Mit hohem Unsicherheitsfaktor.

Zurück zum hier und jetzt.

Die #1to1concerts erwähnte ich bereits in Folge 7 dieser Reihe und hoffte schon damals auf Nachahmer. Und siehe da: Berlin, Dresden, Marbach und Erfurt haben sich mittlerweile angeschlossen und zwar mit der Staatskapelle Dresden, der Dresdner Philharmonie, dem Philharmonischen Orchester Erfurt und in Berlin mit einem Musikerteam aus verschiedenen Ensembles. Wann kommt Hamburg?

Wobei die Hamburger Orchester keineswegs untätig sind. So spielen Musiker des Philharmonischen Staatsorchesters beispielsweise im Rahmen des Formats „Philharmoniker to go“ für Menschen in Senioren- und Pflegeeinrichtungen. Umsonst, draußen und selbstverständlich unter Einhaltung der Abstandsregeln.

Übrigens, Stichwort Hamburg, ich habe da eine Streamingreihe übersehen und gar keine kleine: die Corona-Konzerte des Hamburger Abendblatts nämlich. Das ist mir ein bisschen peinlich. Dankenswerterweise sind alle Folgen noch bei YouTube abrufbar.

Eine anderes Streamingangebot kam an dieser Stelle dagegen schon mehrfach zu Ehren: National Theatre at home. Das ist nicht ohne Grund die Initiative, für die ich bisher am fleißigsten gespendet habe. Die Summen, die da aus aller Welt jeweils zusammenkommen, sind teilweise ganz ordentlich, aber natürlich bei weitem nicht ausreichend, um den Laden dauerhaft über Wasser zu halten. In Großbritannien schießen inzwischen auch die ganz renommierten Institutionen rot, darunter Royal Albert Hall, National Theatre, Royal Shakespeare Company und Royal Opera House. Alles Häuser und Ensembles, die anders als vergleichbare Einrichtungen in Deutschland keine regelmäßigen Subventionen der öffentlichen Hand erhalten. Nicht nur angesichts des politischen Vollchaos, was momentan jenseits des Ärmelkanals tobt, wird das Unvorstellbare allmählich erschreckend wahrscheinlich: „If this goes on much longer, it’s hard to imagine any theatre surviving“.

Auch das Old Vic gehört zu den gefährdeten Stätten und reagiert mit einem eigenen Format namens „in Camera“. 1.000 Tickets zu Preisen zwischen £10 und £65 sollen je Vorstellung erhältlich sein. Das erste Stück der Reihe, „Lungs“ mit Claire Foy und Matt Smith, wird dazu in einer „Socially distanced“-Version vor leerem Saal aufgeführt.

Aus dem „Guardian“ habe ich noch eine Graphic Short Story von Mark Haddon („Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone“) aufgepickt: „Social Distance“. Wahrscheinlich ist das da in der Geschichte gar kein Reh (oder Hirsch), sondern ein Patronus.

Eine Vermutung, die mich direkt zu J. K. Rowling bringt: Die „Harry  Potter“-Autorin veröffentlicht ab 26. Mai 2020 ihr neues Kinderbuch „The Ickabog“ kapitelweise im Internet, noch vor dem offiziellen Erscheinungstermin im November. Parallel dazu läuft eine „Illustration Competition“ für Kinder im Alter zwischen sieben und zwölf Jahren. Einige der ersten auf Twitter gezeigten Beiträge sehen vielversprechend aus!

Übernachten in der Elbphilharmonie

Vorhin, auf dem samstäglichen Weg von A nach B, stolpere ich über diesen Kundenstopper. Spontan schießen mir Bilder durch den Kopf, wie man sie von den besonders bei Kindern beliebten „Übernachten in der Buchhandlung/Bücherei“-Aktionen kennt: fröhliche Musikfreunde in Nachtzeug mit Schlafsäcken und Luftmatratzen im Konzertsaal, dazu ein Gläschen Wein und die ein oder andere nächtliche musikalische Darbietung. „Cool, dann muss ich mir wohl mal das Hamburger Abendblatt kaufen“, denk ich.

Bis mir wieder einfällt: in der Elbphilharmonie gibt’s ja auch ein Luxushotel.

Die lustige Vision zerplatzte und die Zeitung blieb ungekauft.