Theater, Theater: „4.000 Tage“ im St. Pauli Theater

Boris Aljinovic ist Hochseesegler, ein im Wortsinne ausgezeichneter sogar. Insofern nicht verwunderlich, dass sich unsere Wege bereits kreuzten. Allerdings nur in meinem beruflichen Umfeld. Abgesehen von diversen Hörbucheinspielungen und Fernsehrollen hatte ich ihn bei seiner Arbeit bislang noch nicht erlebt, dabei ist er regelmäßig auf Hamburgs Bühnen zu sehen. Höchste Zeit also, das nachzuholen. Und überhaupt, wie lange ist es her, dass ich im St. Pauli Theater zuletzt ein Theaterstück sah? Lustiges Volk da übrigens (Spontangedanke: „Ach, hier treiben die sich alle herum.“). Unter anderem sah ich Dagmar Berghoff und lokale Politprominenz.

Zum Stück.

In „4.000 Tage“, geschrieben von Peter Quilter und im Januar 2016 am Londoner Park Theatre uraufgeführt, erwacht Michael (Boris Aljinovic) nach drei Wochen im Koma mit einer Gedächtnislücke von elf Jahren. Das entspricht 4.000 Tagen und exakt dem Zeitraum, in dem er mit seinem Partner Paul (Gustav Peter Wöhler) zusammengelebt hat. Der kämpft nun darum, dass Michael sein Erinnerungsvermögen wiedererlangt, während seine Mutter Carol (Judy Winter) das Ereignis als eine ihr äußerst willkommene Gelegenheit zum Neustart begreift – vorzugsweise in eine Zukunft Michaels ohne Paul an dessen Seite.

Angesichts dieser Ausgangslage hatte ich eine Tragikomödie erwartet. Dafür war das Stück aber dann doch zu ernst. Ob das eventuell auch an der deutschen Fassung lag, deren Erstaufführung da heute Abend stattgefunden hat? Schwer zu sagen. Dafür müsste man das Stück im Original kennen.

Wie dem auch sei, der Kampf zwischen Michaels Mutter und seinem Partner Paul wird in dem Moment zur Nebensache, als Michael aus dem Koma erwacht. Besonders im ersten Teil agierte Judy Winter eine Spur zu exaltiert, während Gustav Peter Wöhler seltsam blass blieb. Was meines Erachtens nicht allein darauf zurückzuführen ist, dass sie die überdominante Mutter und er eine Spießerfigur spielt. Boris Aljinovic hingegen ist nicht nur ein ausgezeichneter Hochseesegler. Ich bin hin und weg und obendrein ziemlich sicher, heute Abend einen der zauberhaftesten Theaterküsse des Jahres gesehen zu haben.

Meine Begleitung murmelte etwas von „… auch am Ernst Deutsch Theater, ab nächsten Monat…“. Das Stück trägt den Titel „Unwiderstehlich“.

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